Translagorai – Wildes Trekking im Trentino
Aus diesem Stoff sind Abenteuer gemacht! Die Lagorai-Berge sind eine riesige und komplexe Gebirgskette im italienischen Trentino. Durch sie hindurch führt auf einsamen Pfaden und anspruchsvollen Steigen die Translagorai. Was man braucht: Ein Zelt, Durchhaltevermögen und Abenteuerlust.
„Look, there is the Langkofel“, sagt Mario in meine Richtung. Er ist einer von vier jungen Italienern, die wie ich auf der Translagorai unterwegs sind und die ich nun den dritten Tag in Folge an der Unterkunft treffe. So ganz sicher, ob sein Name wirklich Mario war bin ich allerdings nicht, aber das tut ja eigentlich nichts zur Sache. Mario sitzt eingepackt in einer dicken Dauenjacke auf dem kleinen Felsvorsprung vor unserem Biwak und schaut in die App seines Handys. Auch ich habe mittlerweile alles an Sachen an, was ich in meinem Trekkingrucksack dabei habe. Es ist frisch auf über 2500 Metern, selbst in Italien im August. Ich geselle mich zu ihm, schaue suchend in das Weiß aus dicken Wolken, das eine Sicht von nur wenigen Metern zulässt, und sage dann mit breitem Grinsen, „Yes, I can see it clearly“. Er lacht laut auf. Wir sind seit vier Tagen bemüht, uns mit unseren eingerosteten Englischkenntnissen gegenseitig zu erzählen, wo welche Gipfel stehen, welche Wege lohnenswert sind und wo es tolle Biwakschachteln gibt.
Aber Mario wird recht behalten, am nächsten Morgen stehen wir gemeinsam an der gleichen Stelle, der Nebel hat sich gelichtet und wir zeigen – ganz ohne App – synchron auf die so markanten Latemar, Rosengarten, Langkofel, Sella mit Piz Boé und Marmolata. Die Alpenkenner wissen, wir haben in diesem Moment ein traumhaftes Dolomiten-Panorama zu unseren Füßen liegen. Es sind die Momente, die das Salz in der Suppe des Bergwanderers sind. Dafür lohnt sich jede Blase, jeder steile Höhenmeter, jede kalte Nacht. Die letzte davon verbrachte ich übrigens im Bivacco Aldo Moro, eine kleine rote Konservendose, die Schlafplätze für neun Personen bietet und sich auf 2565 Meter Höhe befindet. Eigentlich sind solche Nächte immer unruhig. Allerdings ist die Translagorai ein anspruchsvolles, hochalpines Trekking, bei dem man für ein paar Kilometer schon mal den ganzen Tag braucht. Da schläft es sich am vierten Tag auch unter diesen Bedingungen tief und fest.
Leider ist es aber auch der letzte Morgen auf der Translagorai. Heute geht es zurück ins Tal und dann liegen knapp 50 Kilometer auf feinsten Wegen durch eine atemberaubende, unberührte Landschaft hinter mir. Es geht vorbei an smaragdgrünen Seen, farbenprächtigen Wiesen und imposanten Bergformationen. Man kann sich kaum entscheiden, ob die dramatischen Vulkanberge oder die weiten Panoramablicke auf die Dolomiten eindrucksvoller sind. Eines steht jedoch fest: Auf diesem Trekking kommt man aus dem Staunen über die landschaftliche Vielfalt kaum heraus. Die Translagorai ist ein echtes Abenteuer und eine Herausforderung für erfahrene Trekker:innen. Da es nur wenige bewirtschaftete Schutzhütten gibt, erfordert die Strecke eine gute Selbstversorgung. Zelt und ausreichend Verpflegung sind auf dem Hauptweg unverzichtbar. Wer gut vorbereitet und in guter körperlicher Verfassung ist, wird die Translagorai als ein außergewöhnliches Erlebnis genießen dürfen.
Inhalt
- Anforderungen & Überblick
- Mit Hund auf der Tanslagorai
- Translagorai – die Etappen
- Hinweise und Planungshilfen
- Übernachtungen auf der Translagorai
Anforderungen & Überblick
Bevor man sich auf den Weg begibt, muss man eine grundsätzliche Frage beantworten: Leicht und schnell oder mit kompletter Ausrüstung und gemütlicher? Ich entscheide mich für Letzteres und stapfe am ersten Tag mit 12 Kilo inklusive kompletter Zeltausrüstung, aller Verpflegung für Mensch und Hund plus Wasser los. In Sachen Minimalismus und Ultraleicht bin ich – bei aller Bescheidenheit – allerdings auch Profi. Das geht auch 4 Kilo schwerer. Wer gut im Training steht, kann nur mit Biwaksack, Schlafsack und weniger Verpflegung auch anpeilen, die Translagorai in drei Tagen zu absolvieren. Wichtig ist aber zu beachten, dass der Weg auf dem Papier allein anhand der Strecke und Höhenmeter sehr moderat aussieht, es aber in sich hat. An oben beschriebenem 4. Tag habe ich für 8 Kilometer 5 Stunden gebraucht, bei absolut voller Konzentration. Passiert mir selten. Bei den Biwaks bitte beachten, dass sie nur wenige Schlafplätze haben, daher sollte man zur Sicherheit noch ein Zelt/Biwaksack dabei haben.
Tipp: in meinem Artikel Packliste – Alpentouren (mit Zelt) – Etappen-Wandern findest du ein paar Tipps zum Thema ultraleichtes Trekking (mit Hund und Zelt).
Hinweis: Neben der Hauptroute gibt es viele Möglichkeiten, so dass Jeder den Weg nach seinen Möglichkeiten gestalten kann. Ob Gipfelabstecher oder durch Varianten, bei denen man Rifugios ansteuert – vieles ist hier möglich. Die Translagorai ist auch ein Weg, der fordert und gut vorbereitet werden will.
Daten
- Beste Reisezeit: Juli bis September
- Dauer: 3-5 Tage
- Länge: ca. 50 km
- Höhenmeter Aufstieg: ca. 3000 m
- Höhenmeter Abstieg: ca. 3500 m
- Schwierigkeit: anspruchsvolle Bergtour mit Schwierigkeiten nach SAC Wanderskala bis T4
- Art der Tour: hochalpine Streckenwanderung
Etappenübersicht Trekking Translagorai
Die Strecken der Etappen dieser Hüttentour sind recht moderat, dürfen aber nicht unterschätzt werden. Grundsätzlich lassen sich alle Etappen aber auch noch um Gipfelbesteigungen ergänzen. Bei dieser Art der Tourenplanung hat man alle Möglichkeiten und kann je nach Wetterlagen und persönlichem Empfinden noch entscheiden, ob man den Tag mit einem Gipfel veredelt.
Ausgangspunkt | Endpunkt | Strecke | Aufstieg | Abstieg | Dauer | |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Passo Manghen | Laghetti di Lagorai | 14.7 km | 730 m | 440 m | 6:30 |
2 | Laghetti di Lagorai | Rifugio Cauriol | 12.8 km | 300 m | 970 m | 5:00 |
3 | Rifugio Cauriol | Bivacco Paolo e Nicola | 10.0 km | 980 m | 420 m | 5:15 |
4 | Bivacco Paolo e Nicola | Bivacco Aldo Moro | 8.5 km | 650 m | 290 m | 5:00 |
5 | Bivacco Aldo Moro | Malga Rolle | 8.0 km | 80 m | 750 m | 3:30 |
Die Translagorai ist grundsätzlich in beide Richtung begehbar. Auf den letzten beiden Etappen (Richtung wie hier vorgestellt) ist die Wassersituation aber schwierig. Daher würde ich bei 5 Tagen empfehlen am besten von West nach Ost wie hier vorgeschlagen zu wandern. So hat man ein paar Tage, um den Rucksack leer zu essen, so dass man viel Wasser tragen kann. Und ein bisschen fitter ist man nach drei Tagen auch.
Tipp: Du hast mehr Zeit und willst gern zum Ausgangsort zurückgehen? Kein Problem, denn südlich von der Translagorai verläuft der Sentiero della Pace, der italienische Friedensweg, auf dem du einfach vom Passo Rolle aus zurückwandern kannst. Der Weg ist mein absoluter Herzensweg und sehr empfehlenswert. Mehr Infos zum Weg: Sentiero della Pace – Friedensweg
Wegverlauf und Höhenprofil des Trekkings
Download: GPX Translagorai
Mit Hund auf der Translagorai
Wenn dein felliger Begleiter schon mit gespitzten Ohren neben dir sitzt, dann sag ihm, er darf mit auf die Translagorai. Allein die Schwierigkeit Hütten zu finden, die die Mitnahme des Hundes erlauben, fällt hier ja weitestgehend weg. Die einzige bewirtschaftete Hütte am Weg erlaubt Hunde. Allerdings sollte dein Hund fit und trittsicher sein und die Berge gut kennen. Du wirst ihn hier und da auch mal ein wenig unterstützen müssen, so dass die ganz schweren Exemplare ggfls. nicht mit können. Die Translagorai besteht aus vielen schmalen Steigen, die auch hin und wieder versichert sind und es gibt auch mal kleine Metallkrampen, die über Steilstufen führen, die immer schwer für den Hund allein zu meistern sind.
Mein eineinhalb jähriger Wildfang fand den Weg klasse. Auch wenn sie bei der Zeltnacht durchaus erst mal sparsam geschaut hat, wo denn das kuschelige Körbchen ist. Greta ist in dieser Hinsicht aber wirklich ein toller Junghund. Wenn es ihr an einer schmalen Stelle am Abgrund mulmig wurde, kam sie zurück und hat auf meine Hilfe gewartet, ist also nicht kopflos vorgeprescht. Außerdem steckt in dem pelzigen Kläffer auch ein bisschen Katze. Sie ist also in der Lage, auch eine steile Felswand nach oben zu klettern. Das hätte meine alte Hündin nur mit Unterstützung geschafft. Greta ist von Tag zu Tag sicherer geworden und es hat unfassbar viel Freude gemacht, zu sehen wie sie sich entwickelt.
Du solltest dich in den Alpen immer auch mit dem Queren von Kuhweiden auseinandersetzen. Auch wenn wir nur wenig Weidevieh unterwegs gesehen haben, ist das immens wichtig. Nimm zudem für deinen Hund einen Maulkorb für die öffentlichen Verkehrsmittel mit. Im Trentino lassen dich die Busfahrer sonst stehen, hab ich wieder einmal beobachten können. Zur Unterstützung deines Hundes brauchst du ein gutes Geschirr mit einer reisfesten Leine. Mehr Tipps zur richtigen Ausrüstung für den Hund gibt es in meinem Artikel: Wandern: Mit Hund in die Berge – Teil 1 Ausrüstung
Translagorai – die Etappen
Es kommt zwar ein bisschen darauf an, wen man fragt, aber so grob zählt man die Lagorai-Kette zu den Dolomiten. Sie hat optisch aber kaum Gemeinsamkeiten mit den „Bleichen Bergen“, sondern ist geprägt von dunklen Porphyrfelsen. Und diese Berge sind kostbare Schatzkammern für Wasser, gefüllt mit vielen kleinen farbintensiven Bergseen und blühenden Wiesen – die andere Seite der sonst so staubtrockenen Dolomiten sozusagen. Genau diese gilt es nun in 5 Etappen zu erkunden.
Etappe 1: Vom Passo Manghen zum Laghetti di Lagorai
Als wir Wanderschuhe und Pfoten am Passo Manghen (1) auf die Translagorai setzen, wirkt es schon fast ein wenig herbstlich. Ein regnerischer Tag, bei dem uns immer wieder Wolkenfetzen durch das Bergpanorama wabern, es manchmal daraus tröpfelt und die Regenjacke auch als Isolationsschicht willkommen ist. Ich freue mich sehr auf die bevorstehenden Tage, denn so ein richtiges Alpentrekking mit robusten Übernachtungen in Zelt und Biwak liegt für mich tatsächlich schon etwas zurück. Nach den ersten Kilometern fällt mir dann aber auch wieder auf, wie beschwerlich so steile Anstiege mit einem Rucksack voller Ausrüstung sind.
Andererseits sind die Strapazen bei dem Anblick der Berge, die ich ganz für mich allein habe, rasch vergessen. Ist das schön hier! Diese wilde, ursprüngliche Seite des Trentino berührt mein Herz vom ersten Moment. Berge, Täler und unzählige kleine Bergseen wirken wie durcheinander gewürfelt. Wir wandern etwas oberhalb am Lago delle Buse (2) vorbei bis zum Pian delle Fave (3) und weiter zur Forcella Montalon (4). Die Steige sind klasse, die Landschaft abwechslungsreich.
Mal türmen sich große Steinplatten auf, mal ragen schroffe Gipfel durch den Nebel und dann ist wieder alles ganz grün und saftig. Als ich oberhalb am Lago della Stellune (5) stehe, sehe ich einige Zelte am See. Später werde ich erfahren, dass das Mario mit seinen drei Freunden ist. Ich aber will einen ruhigen Spot für mich allein und wandere noch ein paar Kilometer die Translagorai entlang. Als ich am Abzweig zum Gipfel Cima della Stellune (6) stehe, nebelt es zu und fängt an zu regnen. Also heute keinen extra Gipfel für mich. Für schwere Beine am Abend reicht die Strecke mit dem schweren Rucksack ohnehin aus.
An der Forcella di Lagorai (7) zweige ich schließlich vom Weg ab, um am Laghetti di Lagorai (8) mein kleines Minizelt aufzubauen. Es fängt immer mal wieder an zu regnen, aber ich bin nicht eingerostet, was den schnellen Zeltaufbau angeht und alles – bis auf den Hund – bleibt trocken. Aber bei der richtigen Essenswahl habe ich wesentliches vergessen. Reminder an mich: Niemals krümelige Kekse im Zelt essen!
Etappe 2: Vom Laghetti di Lagorai zum Rifugio Cauriol
Diese zweite Etappe in zwei Worten: anstrengend und wunderschön. Die Berge, die Wege und die Einsamkeit gefallen mir sehr. So sehr, dass ich schon nach einer Stunde die erste Pause einlege und frühstücke. Na gut, und um Blasen zu versorgen, Nachrichten nach Hause zu schicken und Murmeltiere zu gucken. Ohnehin mache ich heute viele Pausen, der Weg fordert mich. Vom Laghetti di Lagorai (1) geht es erst zurück zur Forcella di Lagorai (2) und auf einem recht technischen Teilstück, das alle Konzentration fordert, weiter zur Forcella delle Sute (3).
Ich merke schnell, dass man sich auf der Translagorai nicht von den moderat erscheinenden Höhenmetern täuschen lassen darf. Immer wieder geht es über große Blockwerkfelsen, über Gletscherschliffplatten und hier und da gibt es versicherte Stellen in steilen Scharten. Und ja, möglicherweise habe ich wieder mal vergessen, wie schwer die Beine am zweiten Tag eines Trekkings sind. Autsch. In der Lagorai-Kette sind die Berge eben nicht aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Vielmehr stehen sie wild durcheinander. Ich muss über unzählige Pässe und zwar steil hoch und wieder runter. Dafür erwartet mich hinter jedem Pass eine neue Sicht, manchmal auch eine komplett andere Bergwelt.
Als ich an der Forcella Litegosa (4) eine kurze Pause einlege, steigen plötzlich Nebelschwaden auf und es sieht ein bisschen so aus, als würden die Berge brennen. Ein schaurig-passendes Szenario, denn hier auf der Lagorai-Kette gibt es auch ein düsteres Kapitel. Sie war einer der großen Schauplätze des Ersten Weltkriegs und diese heutige Etappe zeigt das eindrücklich: Schützengräben und Stellungen dort, eine verrostete über hundert Jahre alte Konservendose da und nicht zuletzt wurden die Saumpfade auf denen ich wandere von unseren Urgroßvätern im Weltkrieg erschaffen. Wie ein riesiges Freiluftmuseum.
Später passiere ich das Bivacco Nada Teatin (5), ein kleiner Holzverschlag, gebaut in einen ehemaligen Weltkriegsstollen. Hier im Feuchten zu schlafen, ja, dass muss man wirklich wollen. Ich will nicht und wandere weiter. Gefühlt bin ich schon den ganzen Tag unterwegs, habe allerdings aufgrund der Wege erst die Hälfte der Tageskilometer bis zum angepeilten Rifugio geschafft. Allerdings geht es nach dem Bivacco recht schnell auf einfache Wege, so dass ich zwei Stunden später am Rifugio Cauriol (6) ankomme, spontan noch ein Zimmer bekomme und bestens nach italienischer Art versorgt werde.
Etappe 3: Vom Rifugio Cauriol zum Bivacco Paolo e Nicola
Ein herrlicher Start in diese dritte Etappen: Zuerst darf ich lieblich durch den Wald aufsteigen. Es dauert, bis ich auf kleinen Steigen die Baumgrenze erreiche. Dann aber zeigt sich die Translagorai wieder wild und schroff. Hindurch führen kleine Steige, mal steinig, mal stufig, mal breiter, aber immer gut markiert und immer mit fantastischer Aussicht.
Ich kann doch auch nichts dafür, wenn die Blaubeeren so lecker sind, denke ich schulterzuckend und mache eine zweite Frühstückspause. Es ist kaum eine Stunde her, als ich vom Rifugio Cauriol (1) aufgebrochen bin. Egal, warum auch sollte ich mich hetzen? Das Wetter ist stabil, die Etappe angenehm und ich lasse mir Zeit. Genau deshalb bin ich schließlich hier – um zu entschleunigen. So sitze ich inmitten dieser fantastischen Bergwelt, nasche Blaubeeren und genieße den herrlichen Ausblick auf die Dolomitengipfel Latemar, Rosengarten und Langkofel.
Nachdem Zunge und Finger tiefblau gefärbt sind und ich die Forcella del Cadinon (2) erreiche, ändert sich die Landschaft. Es reihen sich Bergsee an Bergsee, einer schöner als der andere. Am Lago Brutto (3) komme ich nicht drumherum schon wieder zu pausieren. Es ist einfach zu schön, etwas oberhalb des Sees den Ausblick zu genießen und der anschließende Anstieg zur Forcella Moregna (4) ist mit Steigungen um die 40 Prozent kein Zuckerschlecken, so dass ich noch einmal Kräfte sammeln kann.
Ist die Scharte geschafft, geht es gnädiger Weise nur noch leicht bergab, obwohl die Steige anspruchsvoll bleiben. Am Bivacco Paolo e Nicolo (5) erwarten mich bereits kartenspielend meine vier italienischen Freunde, die sich freuen mich zu sehen, aber wohl noch etwas entzückter über Gretas Anblick sind. Das verstehe wer will, denn der kleine schwarze Kläffer ist nun wirklich nicht nett zu ihnen und erst am nächsten Abend, darf die pelzige Diva überhaupt mal gestreichelt werden.
Etappe 4: Vom Bivacco Paolo e Nicola zum Bivacco Aldo Moro
Der Tag startet vom Bivacco Paolo e Nicolo (1) nebelverhangen und wird es auch bleiben. Das ist schade um die Sicht, verleiht den gewaltigen Vulkan-Bergen aber noch mehr Schroffheit und Unnahbarkeit. Doch bevor ich schließlich meinen Rucksack schultere, steht eine wichtige Entscheidung an: Die nächsten zwei Tage gibt es nämlich kein Wasser am Weg. Soll ich mit fünf Litern losgehen oder besser mit zwei Litern und zwei Etappen an einem Tag laufen? Sicher, Greta und ich haben dank ausgeprägtem Hunger Platz für die drei zusätzlichen Kilos geschaffen, aber der Rucksack ist dennoch schwer und es steht eine technisch anspruchsvolle Passage bevor. Aber schon allein weil ich hier eigentlich gar nicht mehr weg will, habe ich mich für viel Wasser und zwei Tage entschieden – und die Entscheidung nicht bereut.
Als ich schließlich bis zum Anschlag mit Wasser bepackt losmarschiere, fällt mir plötzlich auf, dass ich noch keinen Gipfel bestiegen habe und da vorn – zwar im Nebelmeer nicht gut zu erkennen, aber definitiv da – steht der Cima di Cece. Mit 2754 Metern ist der durchaus bemerkenswert, so dass ich an seinem Fuße den Rucksack stehen lasse und ohne Gepäck wie beflügelt hinaufeile. Die Felsen, Blöcke und Platten werden immer gewaltiger und die Nebelfetzen, die sie umhüllen, lassen mich denken, ich wäre eher auf der Marschroute nach Mordor, als im lieblichen Italien. Wir meistern den Cima di Cece (2) aber ganz ohne Orks zu begegnen, sprinten auf gleichem Weg zurück und setzen unsere Wanderschaft auf der Translagorai fort.
Einige Drahtseilversicherungen und Eisentritte später erreichen wir in atemberaubender Bergkulisse dann die Forcella Cece (3) und kurz danach mit der Forcella del Valon (4) die nächste Scharte. Ein fantastischer Ausblick jagt den nächsten, ein emporragender Fels ist beeindruckender als der andere und ein Steig anspruchsvoller als der davor. Liebs. Irgendwann, ich bin vor einer halben Stunde wieder auf Mario und seine Freunde getroffen und wir steigen gemeinsam auf, taucht aus dem Nebelmeer schließlich der erlösende rote Farbklecks des Bivacco Aldo Moro (5) auf. Uns trennen nur noch ein paar Felsbrocken von unserem Nachtlager.
Etappe 5: Vom Bivacco Aldo Moro zur Malga Rolle
Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Der letzte Tag auf der Translagorai beginnt auf 2.565 Metern Höhe mit diesem wunderschönen Blick auf die Dolomiten. Ich möchte eigentlich gar nicht aufbrechen, so atemberaubend ist die Aussicht. Doch mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen überwinde ich mich schließlich doch und treffe bald auf den Schäfer, der gestern Abend am Bivacco Aldo Moro (1) ausgiebig mit meinen italienischen Wandergefährten diskutiert hat. Es ging um den Ersten Weltkrieg, Wölfe und das einsame Leben auf dem Berg nur in Begleitung von Schafen und drei Hunden für ganze fünf lange Monate.
Wir winken uns fröhlich zu und im Handumdrehen sind mein Hund Greta und ich Teil der Hütegemeinschaft. Wir übernehmen die linke Flanke, seine Hunde die rechte, während er selbst hinterherläuft. Nach 15 Minuten ist der Wanderweg frei von Schafen, wir lächeln uns nochmals zu und wünschen einander einen schönen Tag. Derweil wacht die Königin der Dolomiten, die Marmolata, über das Geschehen – warum nochmal genau sollte ich hier eigentlich jemals wieder fortgehen?!
Noch vom Gebimmel der Schafe eingehüllt, geht es über Block und Stein bei tollen Aussichten nun aber weiter auf der Translagorai von Scharte zu Scharte. Auf jeder einzelnen mache ich ein kleines Päuschen, um die Ausblicke zu genießen und noch mal diesen Duft nach Freiheit und Entschleunigung tief einzuatmen. Ich erreiche erst die Forcella Ceremana (2) und dann die Forcella Colbricon (3). Hier höre ich schon den Autoverkehr aus Richtung Passo Rolle und weiß, nun kehre ich zurück in die Zivilisation. Der Lago Colbricon mit seinem Rifugio (4) liegt mir malerisch zu Füßen. Nur die mächtige Pala-Gruppe, die sonst so gewaltig emporragt, gibt sich heute bedeckt. Und dann erreiche ich mit schweren Beinen und auch schweren Herzens die Malga Rolle (5) und nehme Abschied.
Hinweise und Planungshilfen
Die An- und Rückreise zur Translagorai ist etwas kniffelig. Ich bin von Cavalese aus mit dem Taxi hinaufgefahren, da der Pass zu schmal für den öffentlichen Nahverkehr ist. Zurück ging es mit den regelmäßig verkehrenden Busen von der Malga Rolle nach Cavalese (1 x Umstieg). Diese Taxiunternehmen könnt ihr anrufen, wenn ihr es mir gleichtun wollt:
- Nccboninsegna: +39 348 350 1150
- Pier8 TAXI: +39 335 627 5878
Orientierung
Einen Wanderführer zur Tour habe ich nicht dabeigehabt. Bei den Karten habe ich die Tabacco Wanderkarte genutzt, die uns gute Dienste erwiesen hat. Sie deckt die letzte Etappe nicht vollständig ab, wer dazu ebenfalls eine Karte nutzen will, nimmt die Tabacco Wanderkarte Grundsätzlich gilt für die ganze Tour: Die Markierungen zwischen den Wegpunkten (im Text fett und mit Zahl in Klammern) sind eine gute Orientierungshilfe und meist auch beschildert.
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Sicher unterwegs mit Zoleo
Was dieses kleine Gerät da neben Greta ist? So etwas wie meine Lebensversicherung am Berg. Bei hochalpinen Touren gibt es manchmal brenzlige Momente und eigentlich ist es auch immer so, dass man genau dann kein Netz hat. Dieses kleine, ultraleichte Gerät von Zoleo schließt diese Lücke. Via Satellit lassen sich auch ohne Mobilfunknetz Notrufe absetzen. Aber es kann noch mehr: Es ist super einfach, Kontakt zur Außenwelt zu halten, wenn man kein Netz hat. Nachrichten versenden, Wetter checken und automatische Standort-Übertragung in einem selbst wählbaren Intervall sind möglich. Mehr dazu: Zoleo oder in meinem Artikel Solo unterwegs – Sicherheit in den Bergen
Übernachtungsoptionen auf der Translagorai
Auf der hier vorgestellten Route liegt nur eine einzige bewirtschaftete Hütte. Deshalb ist das (naturverträgliche!) Zelten geduldet oder man nutzt eine der Biwakhütten zum Übernachten. Mit Varianten erreicht man auch Rifugios, in denen man übernachten kann. Sonst stehen Biwakhütten, also kleine Mini-Schutzhütten ohne Bewirtung oder irgendwelchen Komfort bereit. Sie haben aber nur wenige Schlafplätze, daher sollte man zur Sicherheit noch ein Zelt dabei haben. Dafür aber haben sie eine traumhafte Lage.
Bivacco Nada Teatin
Eine wirklich primitive Option, die man sich gut überlegen sollte. Im Prinzip ist hier vor einen ehemaligen Stollen eine Holztür gemacht worden. Innen liegen zwar Matratzen, aber es ist sehr feucht im Inneren. Wasser nicht sicher in der Nähe.
Rifugio Cauriol
Einzige bewirtschaftete Hütte direkt am Weg. Übernachtung mit Hund möglich.
Ende Juni bis Ende September
Website: Rifugio Baita Monte Cauriol
Bivacco Paolo e Nicola
Sehr gutes, aber auch oft gut besuchtes Biwak.
9 komfortable Schlafplätze
Keine Decken, Wasser in der Nähe
Bivacco Aldo Moro
In die Jahre gekommenes Biwak, das aber seinen Zweck erfüllt.
9 enge Schlafplätze
Deckn vorhanden, kein Wasser
Hinweis: Mit Umwegen erreicht man auch noch weitere Biwakschachteln.