#12/100 Schrankogel 3497 m
Der Schrankogel in den Stubaier Alpen ist ein massiger Felskoloss. Ein Berg mit knapp 3500 Metern überragt selbst im 3000er Paradies Tirol nahezu alles. Den pyramidenförmigen Aussichtsgipfel besteigt man am besten vom Ötztal, meidet aber sicherheitshalber den Ostgrat.
[Artikel entstand während einer Recherchereise, diese wurde von Ötztal Tourismus unterstützt]
Wer den Schrankogel in natura gesehen hat, wird einmal mehr dazu neigen, seinen Namen falsch zu lesen. Auch wenn er aus den Stubaier Alpen herausragt wie ein mächtiger Schrank bleibt er doch nur ein Schran-kogel. Freilich tut der Name eigentlich nichts zu Sache. Vor allem bei einem solchen Aussichtsgipfel der Extraklasse! Wer wie wir einen perfekten Tag für den Aufstieg wählt, hat Sicht zu unzähligen namhaften Gipfeln: Großglockner, Großvenediger, Wildspitze, Marmolata, Watzmann, Hochkönig, Dachstein und Ortler sind nur einige, die sich ins Panorama der prominenten Berge einreihen. Selten kann man so lange auf einem Berg sitzen und immer wieder Neues entdecken. Ganz sicher ist der Schrankogel einer meiner bisher schönsten 3000er.
Ende des 19. Jahrhunderts war der Schrankogel ein Eisberg, eine Begehung nur mit Gletscherausrüstung möglich. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Dem Klimawandel haben wir es zu verdanken, dass im Sommer Schnee und Eis fast vollständig vom Berg verschwunden sind. Damit wurde die Besteigung des Schrankogels sehr viel einfacher. Ohne Gletscherkontakt und Kletterausrüstung ist heute der Gipfelerfolg möglich. Doch die Erderwärmung schreitet so schnell voran, dass sich nun andere Schwierigkeiten an diesem Felsklotz zeigen: Eine komplette Überschreitung des Schrankogels wird aufgrund des schmelzenden Permafrostes gefährlicher. Instabile Böden erhöhten die Steinschlaggefahr so sehr, dass Behörden von einer Begehung über den Ostgrat abraten. Empfohlen bleibt nur der Auf- und Abstieg über den Südwestgrat. Aber sei es drum! Das ist kein Grund, diesen sensationellen Berg nicht zu besteigen.
Schrankogel: der ewige Zweite…
Rein geografisch betrachtet gehört der Schrankogel zu den Stubaier Alpen. Der höchste Berg der Stubaier Alpen, das Zuckerhütl (3.507m), ist dabei nur marginale 10 Meter höher. Das beschert dem Schrankogel den zweiten Platz im Ranking der höchsten Stubaier Berge. Zumindest dann, wenn man die Pfaffenschneide mit 3498 m als Nebengipfel des Zuckerhütl betrachtet. Dennoch ist der Schrankogel mit seinen 3497 m einer der höchsten Berge, die man noch erwandern kann. Österreichweit bleibt ihm unter den wanderbaren 3000er allerdings ebenfalls nur der zweite Platz. Knapp ist es in diesem „Ranking“ nicht, denn der Vordere Brochkogel ist mit 3565 m doch ein deutliches Stück höher.
Bergtour im Überblick
Wanderbare 3000er wie der Schrankogel werden oft auch als leichte 3000er bezeichnet. Leicht meint dabei, dass man ohne Gletscherkontakt und ohne Kletterausrüstung das Gipfelziel erreichen kann. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass es ein Spaziergang ist, den Berg zu erreichen. Im Gegenteil: Bei der Besteigung des Schrankogels handelt es sich um eine anspruchsvolle Bergtour für konditionsstarke Wanderer mit alpiner Erfahrung. Kurz vor dem Gipfel kommen noch Kletterstellen (UIAA I) hinzu, so dass die korrekte Schwierigkeitsbewertung des Weges nach SAC-Wanderskala T5 ist. Die Begehung bei Schlechtwetter ist lebensgefährlich.
Ein Schlechtwettereinbruch schlägt sich am Schrankogel fast immer als Schnee nieder – im Frühsommer bedecken Altschneefelder die Grate, dann sind Steigeisen und Pickel notwendig, um den Berg zu besteigen. Bei gutem Wetter im Hochsommer sollte die Bergtour aber erfahrene Bergsteiger nicht überfordern. Allerdings sollte die Route über den Ostgrat, die vielerorts beschrieben wird und eine Überschreitung des Schrankogels möglich macht, derzeit (Stand 2022) aufgrund erhöhter Steinschlaggefahr nicht begangen werden. 2020 kam es am Ostgrat zu einem tödlichen Bergunfall. Auf etwa 3300 Metern hatte sich ein Stein gelöst, was einen großen Felssturz verursachte.
Der Aufstieg über den Südwestgrat, den ich hier beschreibe, gilt als nicht besonders Steinschlag gefährdet, auszuschließen ist so etwas natürlich nicht.
Bergtour im Detail
- Ausgangs- und Endpunkt: Parkplatz Gries
- Aufstieg: 1820 m
- Abstieg: 1820 m
- Länge: 20,7 km
- Dauer: 10:00 h
- höchster Punkt: Schrankogel, 3.497 m
- Schwierigkeit: schwer
- Hundetauglichkeit: 1 von 5 Sterne
Die Bergtour kann auch als eineinhalb-Tagestour mit Zwischenübernachtung auf der empfehlenswerten Amberger Hütte geplant werden.
Mit Hund auf den Schrankogel
Meine Hundedame Lotte war bei dieser Bergtour nicht mit dabei – sie legte nach einer anstrengenden Tour am Vortag ein Päuschen in der Amberger Hütte ein. Eine Einschätzung möchte ich trotzdem geben: Grundsätzlich kann man eine solche Bergtour mit Hund machen, sofern es die Kondition und der Gehorsam es erlauben.
Es gibt keine Versicherungen, die den Weg hinauf zum Schrankogel erleichtern. Die Kletterstellen im 1. Grad sollte der Hund mit Hilfe meistern können – und Herrchen und Frauchen müssen so sicher sein, dass sie den Hund auch unterstützen können. Grundsätzlich sind solche Touren aber wirklich nur für sehr erfahrene Hund-Mensch-Teams möglich. Wichtig ist auch absoluter Gehorsam, damit der Hund gut dirigiert werden kann und bspw. keine Steine lostritt.
Höhenprofil Schrankogel
Download: GPX Schrankogel
Kartenmaterial: DAV Alpenvereinskarte 31/1 Stubaier Alpen Hochstubai 1 : 25 000
Tourenbeschreibung Schrankogel
Den Aufstieg zur Amberger Hütte vom Parkplatz Gries (1) bringt man am besten schon am Vortag hinter sich und nächtigt auf der Hütte. Der breite Fahrweg durch das Sulztal ist einfach und kann auch mit dem Mountainbike zurückgelegt werden. Von der Amberger Hütte (2) führt uns der Weg zunächst über eine Brücke und schwenkt dann nach rechts. Wir wandern anfangs ziemlich flach und bequem immer links entlang des Fischbachs. Der Weg wird jedoch recht schnell stufiger und bringt uns die ersten steilen Höhenmeter hinauf. In einem großen Linksbogen wandern wir um die ersten Ausläufer des Schrankogels und gelangen auf die Seitenmoräne des Schwarzenbachferners. Rechts reiht sich zum Greifen nah Gletscher an Gletscher.
Etwas angenehmer geht es nun unverkennbar auf der Randmoräne weiter, bis wir an einem Schilderbaum nach links den Weg in Richtung Hohes Egg / Schrankogel Westgrat einschlagen. Wir bringen noch ein paar Serpentinen hinter uns und haben anschließend einen traumhaften Ausblick auf den Schwarzenbergsee (3). Knapp 900 Höhenmeter liegen noch vor uns, aber eine Pause in dieser noch grünen Landschaft lasse ich mir nicht nehmen. Irgendwo pfeift ein Murmeltier. Anschließend geht es technisch noch recht einfach aber durchaus mit steilen Höhenmetern bis zum Vorsprung Hohes Egg (4), 2820 m. Fast zeitgleich tauchen wir ein in die karge, graue Landschaft aus Fels und Stein. Kaum vorstellbar, dass es bis zum Gipfel noch über 700 Höhenmeter sein sollen – rein optisch würde ich dem keine 400 Höhenmeter zusprechen. Aber es gibt so Berge, da läuft und läuft man und das Gipfelkreuz will einfach nicht näher kommen. In diese Kategorie fällt auch der Schrankogel.
Nach dem Hohen Egg gilt es, die Orientierung nicht zu verlieren. Unser Aufstiegsweg führt nach rechts, steil die Bergflanke hinauf. Durch Schutt und Geröll geht es Höhenmeter für Höhenmeter weiter hinauf – recht bald auch mit deutlich stärkerer Atemfrequenz, denn die Höhe macht sich bemerkbar. Der Weg ist durchgehend gut markiert, aber ein bisschen Sinn für die gute Route sollte jeder bei dieser Bergtour dabei haben. Aus dem schuttigen Untergrund wird mit zunehmender Höhe felsiges Gelände. Etwas später braucht es dann schon einmal mehr die Hände, um größere Stufen zu überwinden. Obwohl das Gipfelkreuz schon lange zu sehen ist, braucht es irgendwie immer noch eine Kehre, noch eine hohe Stufe, noch eine Kletterei – innerlich verfluche ich kurz den Schrankogel. Doch als wir endlich auf dem Gipfel des Schrankogels (5) stehen, auf dem es auch noch wieder Erwarten windstill ist, bin ich sofort versöhnt mit diesem riesigen Berg.
Die Pause am Gipfel fällt bei diesen perfekten Bedingungen erwartungsgemäß etwas länger aus, bevor es auf gleichem Weg wieder zurück zum Ausgangspunkt geht. Übrigens ist der Schrankogel an diesem Tag auch nicht sonderlich viel besucht. Es müssten neben mir und Björn von Bergparadiese, der mich auf dieser Tour begleitet hat, noch vier andere Wanderer an diesem Tag gewesen sein. Selbst für einen Wochentag im Juli für einen so beeindruckenden Berg nicht viel.
Lust auf noch mehr leichte 3000er in den Alpen?
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