#1/100 Marmolata 3.343m
Mein erster 3000er
Gipfelglück, Gipfelfieber oder Bergsucht – all diese Worte versuchen zu umschreiben, was für den Nicht-Bergsteiger schlicht irrational oder verrückt wirkt. Das „Hochinauswollen“ am Berg lässt sich nur schwerlich in Worte fassen. Vielleicht trifft es „Gipfelfieber“ noch am ehesten. Wer einmal der Magie der hohen Berge erlegen ist, kann nicht mehr anders – er muss wieder nach oben. Vielleicht ist es dieses erhabene Gefühl, wenn man dort oben steht und Menschen im Tal nicht mal so groß wie eine Ameise wirken. Möglicherweise ist es auch nur der geringe Sauerstoff in dieser luftigen Höhe, der unser Hirn vernebelt. Eventuell ist es auch dieses Belohnungsgefühl, nach kräftezehrendem Anstieg endlich sein Ziel erreicht zu haben. Was es auch ist, es macht süchtig.
So kam es bei mir, wie es zwangsläufig kommen musste. Nachdem ich viele tolle Aussichtsgipfel über 2000 Meter bestiegen hatte und doch hin und wieder auf einem Pass über 3000 Meter stand, wollte ich endlich auch auf einem 3000er-Gipfel stehen. Die Möglichkeit ergab sich für mich in einem spektakulären Rahmen. Während meiner Fernwanderung auf dem Sentiero della Pace, dem italienischen Friedensweg, wurde ich das erste Mal zu einem 3000er-Gipfelstürmer. Nicht unbedingt das einfachste Ziel hatte ich mir mit der Königin der Dolomiten, der Marmolata, ausgesucht, denn es gibt auch viele einfache wanderbare 3000er in den Alpen.
Aber der Weg sah es so vor und ich nahm dankend an. Zumindest in meiner Fantasie, denn als ich den mächtigen Berg sah, wurde mir schon etwas mulmig zumute. Aber auch bei einem 3000er ist es wie im wahren Leben: Sobald man sich der Herausforderung stellt, den ersten Schritt macht und den richtigen Weg findet, wird das Problem immer kleiner. Dennoch war es ein Kraftakt von Süden aufzusteigen und rechtzeitig vor dem Gewitter in der schützenden Berghütte Pian dei Fiacconi (Hinweis: die Schutzhütte wurde 2021 von einer Lawine zerstört und ist derzeit unbenutzbar) anzukommen. Aber dieses Gefühl am höchsten Punkt der Marmolata, der Punta Penia, auf 3.343 Metern zu stehen, jagt mir noch heute eine Gänsehaut über den Rücken. So unvergesslich!
Unbezahlbare Aussicht in die Dolomiten
Die Marmolata ist nicht nur der höchste Berg der Dolomiten, sondern hat auch den einzigen großen Gletscher in den Dolomiten. Obwohl der Ghiacciaio della Marmolada im Vergleich zu anderen Gletschern nicht sonderlich imposant wirkt, darf er bei der Tour nicht unterschätzt werden. Die Marmolata ist letztendlich ein langgezogener Bergrücken, dessen höchste Erhebung die Punta Penia ist. Wer hier steht, darf sich an einem traumhaften 360-Grad-Dolomiten-Panorama erfreuen, wenn denn die Sicht stimmt. Ich war eine glückliche Bergsteigerin an diesem Tag des Aufstiegs, denn das Wetter war oben auf dem Gipfel phänomenal.
Langkofel, Sellagruppe, Piz Boe und Rosengarten offenbarten sich mir. Die sonst so mächtig wirkenden Bergmassive und Gipfel erblickte ich von der Punta Penia sozusagen von oben herab. Auch die Adamello-Gruppe, den Ortler, die Ötztaler Alpen und die Hohen Tauern mache ich aus. Nicht zuletzt ist die Aussicht auf den Lago di Fedaia, der uns tiefblau zu Füßen liegt, ein Traum. Auch die bekannten Dolomiten-Berge Col di Lana , Lagazuoi und Tofana di Rozes lassen sich bei gutem Wetter erspähen.
Übrigens gibt es noch einen zweiten Gipfel auf der Marmolata. Die Punta Rocca ist mit 3.265 m fast 200 Höhenmeter kleiner als die größere Punta Penia und liegt weiter östlich. Sie kann mit der Seilbahn erreicht werden, ein verbindender Weg zwischen beiden Gipfeln gibt es jedoch nicht.
Aufstiege hinauf zur Punta Penia
Es gibt drei populäre Möglichkeiten auf die Marmolata/Punta Penia zu steigen: Von Süden aus vom Rifugio Contrin und dann über den Hans-Seyffert-Weg (Westgrat-Klettersteig), von Norden aus zunächst über den kleinen westlich-gelegenen, spaltenfreien Gletscher und ebenfalls über den Klettersteig oder von Süden direkt über den Marmolata-Gletscher. Letzterer ist wohl der einfachste, ersterer der schwerste. Kannst du dir denken, welche ich genommen habe?
Genau, wenn dann richtig! Wir stiegen also vom Rifugio Contrin zunächst 900 Höhenmeter über alpine Wanderwege auf. Teilweise verlief unser erster Teilanstieg gegen Ende weglos über Schuttfelder. Unser Zwischenziel war die Forcella (Scharte) Marmolata, ein prägnanter Felseinschnitt auf dem Marmolata-Rücken. Die letzten Höhenmeter im Zustieg zum Hans-Seyffert-Weg waren bereits über einen Klettersteig (Kategorie B) zu überwinden.
Von der Forcella Marmolada gelangt man über den Westgrat-Klettersteig hinauf zum Gipfel der Punta Penia. Es ist ein in der Kategorie A/B recht einfacher Klettersteig, der nicht viel Erfahrung fordert. Jedoch ist er mit etwa 500 Höhenmetern und 2 Stunden im Aufstieg recht lang und man benötigt gute Kondition. Als Ausrüstung braucht man eine Klettersteigausrüstung mit Klettergurt, Klettersteigset und Helm. Von der Punta Penia erfolgt der Abstieg zum Rifugio Pian dei Fiacconi über den westlichen Marmolata-Gletscher, einem weiteren kurzen Klettersteig und dann über den Haupt-Gletscher der Marmolata. Hierzu sind Gletscherausrüstung mit Seil, Pickel und Steigeisen erforderlich. Auch für die anderen beiden Aufstiegs-Varianten benötigt man selbige Ausrüstung.
Vom Rifugio Pian dei Fiacconi gelangt man entweder zu Fuß über den Weg 606 oder mit dem nostalgischen Korblift hinab zum Fedaia-Stausee. Dies ist zugleich die Aufstiegsmöglichkeit bei den anderen beiden Varianten.
Marmolata im 1. Weltkrieg
Beim Aufstieg auf die Marmolata über den Westgrat passiert man recht schnell alte Baracken aus dem 1. Weltkrieg. Denn dieser spielte sich mit Kriegseintritt Italiens auch inmitten der Alpen ab. Die Marmolata erlangte dadurch traurige Berühmtheit, denn österreich-ungarische k.u.k. Kaiserjäger lieferten sich mit italienischen Alpini unvorstellbare Gefechte auf der Marmolata. Zunächst hatten die Italiener eine bessere Position. Mit riesigen Scheinwerfern leuchten sie den ganzen Berg aus und nahmen alles unter Beschuss. Nachschubträger der Österreicher durften daher nur im schützenden, schlechten Wetter den Gletscher passieren.
Die Tiroler antworteten, indem sie den Marmolata-Gletscher in eine wahre Eisstadt ausbauten. Bis zu 1000 Höhenmeter stiegen die kilometerlangen Stollen im Gletscher auf. Versorgungswege, Baracken, Krankenstationen, Lager, sogar eine Bar und eine Kirche wurden im Bauch des Gletschers errichtetet. Brücken und Leitern sicherten das Vorankommen. Überreste der Eisstadt gibt es heute nicht mehr. Sehr wohl lassen sich jedoch feste Konstruktionen bei dieser Tour noch erkennen.
Anforderungen, Planung & Bergführer
Für die Aufstiegs-Variante über den Westgrat-Klettersteig (Hans-Seyffert-Weg) vom Rifugio Contrin und den Abstieg zum Rifugio Pian dei Fiacconi musst du mit folgenden Angaben rechnen:
- Gesamtgehzeit: 6.30 Std.
- Aufstieg: 1310 m
- Abstieg: 710 m
- Strecke: 6,7 km
Du benötigst daher gute Kondition, absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Zudem brauchst du alpine Erfahrungen im Hochtouren-Gehen. Wenn du zwar fit, aber wenig erfahren bist, kannst du mit einem Bergführer die Marmolata besteigen. Der Hüttenwirt vom Rifugio Pian dei Fiacconi stellt dir die Ausrüstung am Rifugio Contrin bereit. Er organisiert auch lokale Bergführer, Kosten ab 280 €.
Kontakt:
Rifugio Pian dei Fiacconi
Juni – September
Tel: +39 328 1218 738
info@piandeifiacconi.it / www.piandeifiacconi.it
Am besten verwendest du für deine Tour und Planung die Karte: Marmolada, Pelmo, Civetta, Moiazza: Wanderkarte Tabacco 015. 1:25000*
*Werbehinweis: Wenn du über diesen Link ein Produkt kaufst, erhalte ich eine kleine Provision, die mir hilft meinen Blog (Hostingkosten etc.) zu betreiben. Dir entstehen dadurch keine Mehrkosten. Vielen Dank!
Ach ja! Kaum zu glauben, aber Verpflegung brauchst du nicht einpacken. Nur wenige Meter neben dem höchsten Punkt der Marmolata gibt es eine private Schutzhütte, die Capanna Punta Penia, in die du einkehren und in der du sogar übernachten kannst. Der Blechkasten wird 3 Monate im Jahr betrieben und mit dem Hubschrauber versorgt. Es ist eine einfache Schutzhütte ohne Luxus, die Bergsteigern vorbehalten ist. Eine Einkehr ist eigentlich Pflicht, vor allem weil das Bier hier nicht einmal mehr kostet als im tiefergelegenen Rifugio Contrin.
Warst du auch schon auf der Marmolata? Wie sind deine Erfahrungen? Welchen Weg hast du genommen? Oder hast du für mich weitere 3000er-Gipfel-Ziele, die ich unbedingt besteigen muss? Dann schreib es mir bitte in die Kommentare!
Lust auf noch mehr leichte 3000er in den Alpen?
Hier geht’s zur Kartenansicht im Gipfelbuch 3000er der Alpen
8 Kommentare zu “#1/100 Marmolata 3.343m”
Super schöne Bilder.
Hier blieb dein Hund zu hause, richtig?
Was ich mich gerade frage: als du auf dem Friedensweg unterwegs warst, gab es da nicht auch manchmal brenzlige Steige oder Kletterstellen, die schwierig waren für den Hund?
Gruß, Aurora
Liebe Aurora,
genau. Lotte ist außenrum und hat sozusagen Bergführerin für die Gruppe mit Höhenangst gespielt. In den Dolomiten war ich nicht mehr allein unterwegs. Ja, es gab in der Tat einige brenzliche Situationen. Eine Seilbrücke, einige seilversicherte Passagen. Da muss man dann ordentlich improvisieren und der Hund auch mitspielen. Mit Lotte war das problemlos möglich, sie ist sehr cool und gehorsam. Sie lässt sich sogar auf den Rucksack transportieren oder abseilen. Aber das muss man natürlich üben.
Liebe Grüße!
Romy
Irgendwie fehlt mir in dem Beitrag wie du rauf gegangen bist oder genauer gesagt runter – warst du allein am Gletscher unterwegs? Mit Bergführer? Mit Freunden? Wieviel Leute wart ihr wenn in der Seilschaft?
Lg Anna
Liebe Anna,
wir sind die Südseite hoch, über den Westgrat auf die Punta Penia und in 4er-Seilschaft mit Bergführer über den Gletscher hinab.
Liebe Grüße!
Romy
Sehr coole Tour. Kommt auf die Bucket-List 😉
LG Björn
da ist sie hervorragend aufgehoben 😉
Liebe Grüße!
Romy
Hi Romy,
wir wollen dieses Jahr bei einer 9 Tageswanderung über den Vernel Gletscher hoch zur Scharte und dann wieder runter zum Rifugio Contrin (ohne Gipfelerklimmung). Meine Frage wäre, welche Ausrüstung für die Überquerung des Vernel Gletschers und das Stück hoch zur Forcella Marmolada benötigt wird. Geht das Stück ohne Helm, Seil und Klettergurt oder brauch man das alles? Krödeln hätten wir auf jeden Fall dabei.
Vielen Dank im Voraus und Berg Heil!
Christian
Hey Christian,
solche Einschätzungen sind natürlich immer schwer, weil ich ja nicht weiß, auf welchem Level ihr euch befindet. Den Vernelgletscher-Rest könnt ihr mit Grödel meistern. Hoch und wieder hinab von der Forcella ist schon grundsätzlich besser mit Sicherung. Es ist zwar nur ein kleines Stück, aber es ist ein Klettersteig (A/B). Ich habe aber eine andere Idee: Der Hüttenwirt vom Pian dei Fiacconi ist wirklich sehr nett und verleiht auch Ausrüstung. Ihr könntet also die Ausrüstung dort leihen und am Rifugio Contrin wieder abgeben. Andersherum hat es bei uns zumindest funktioniert.
Liebe Grüße
Romy