Buchvorstellung Fräulein draußen
Rezension zum Buch von Kathrin Heckmann
Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, keine weiteren biografischen Romane übers Fernwandern zu lesen. Die bisherigen hatten mich eher enttäuscht als bereichert. Eigentlich. Doch als Bloggerkollegin Kathrin alias Fräulein Draußen verkündete, ein Buch geschrieben zu haben, konnte ich irgendwie nicht wiederstehen. Ein bisschen mulmig war mir dann aber schon, als ich das Buch zu Hand nahm. Zu oft hatte ich bei diesen biografischen Romanen gedacht, na, er/sie hätte besser mal kein Buch geschrieben – sie alle haben für mich den Glanz verloren, als ich ihre Gedanken laß. Das ist bei Kathrin’s Buch nicht so. Das liegt daran, dass sie sich einerseits ohnehin nicht mit glänzenden Superlativen schmückt und andererseits ein richtig gutes Buch geschrieben hat.
„Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“
Zunächst einmal ist das Beste an dem Buch, dass der Leser drinnen findet, was draußen draufsteht. Der Untertitel „Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“ ist kein Marketing-Slogan, der etwas verspricht, was er nicht halten kann. Im Buch geht es genau darum. Egal ob ein wintziger Wattwurm an der Nordsee, ein unscheinbarer Hügel in den den schottischen Highlands oder eine emsige Wasseramsel an einem Flüsslein in Brandenburg – Kathrin berichtet leidenschaftlich davon, was diese von außen betrachteten völlig unspektakulären Dinge, bei ihr im Inneren bewirken. Das Ganze bekommt der Leser mit einem herausragenden Schreibtstil perfekt garniert.
Im Buch „Fräulein Draußen“ geht es auch um die Verwandelung einer jungen Frau, die sich dazu entschieden hat, ihr Leben möglichst draußen in der Natur zu verbringen. Dabei folgt es allerdings keiner Chronologie, sondern erzählt in voneinander unabhängigen Kurzgeschichten wie die kleinen Dinge etwas verändern. Dabei hilft uns Kathrin mit ihrem Buch, genau hinzuschauen, Kleinigkeiten wertzuschätzen oder sie eben wie ein kleines Zahrad als Teil im großen Ganzen zu sehen. Am Ende des Buches stellt man fest, dass man mit Kathrin auch auf die Reise ihrer eigenen Verwandelung gegangen ist. Es wird absolut klar, warum sie sich für ein Leben als Vagabund entschieden hat, die mehr draußen ist, als in geschlossenen Räumen. Und es wird klar: Es ist nicht die eine Wanderung, der eine Moment oder das eine Erlebnis gewesen, das den Prozess ausgelöst hat, sondern eben viele kleine, manchmal unscheinbar wirkende Momente.
Dabei ist bestimmt nicht für jeden, jedes Detail emotional nachvollziehbar. Wer jedoch viel in der Natur unterwegs ist oder gar selbst schon auf Fernwanderung unterwegs war, wird kleine Geschichten finden, die zu ihm passen. Oder er nimmt sie mit auf seinen nächsten Ausflug und wird vielleicht hier und da etwas genauer hinschauen. Das alles vermittelt Kathrin mit zwei Dingen, die es wert sind, sie zu betonen: Ohne erhobenen Zeigefinger und ohne zu posen. Jeder kann es ihr nachmachen, egal ob er 1500 Kilometer am Stück wandert oder sonntags zu einem kurzen Spaziergang in den Wald aufbricht.
Ich weiß, dass Kathrin meint, ihr Buch sei sehr persönlich. Das empfinde ich als Leser nicht so. Das Buch hätte durchaus etwas mehr vom Seelenleben der Autorin preisgeben dürfen. Ich bin mir sicher, da gibt es Momente, die einen in emotionale Achterbahnfahrt versetzen: Sei es, sich mal richtig einsam zu fühlen, sei es eine brenzlige Situation, in der man sich vor dem Schlimmsten fürchtet, oder sei es eine gewählte Route, der man nicht gewachsen war und die tiefe Selbszweifel auslöst. Das gehört zum Fernwandern, zum Draußensein ebenso dazu wie die himmelhochjauchzenden Gefühle. Von beiden hätte es etwas mehr geben dürfen. Hier fehlen mir ein paar Ausschläge nach oben und nach unten. Doch das ist nur ein kleines Detail am Rande. Das Buch ist es definitiv wert, gelesen zu werden.
Fragen an die Autorin
Da mir Menschen, die meine Begeisterung für Wasseramseln teilen, per se sympathisch sind, hab ich mir gedacht, ich stelle Kathrin mal ein paar Fragen. Und, liebe Kathrin, wo wir gerade bei Wasseramseln sind: Ja, auch im Harz wirst du sie finden. Solltest du es also wirklich mal in das nördlichste Mittelgebirge schaffen, verpass nicht das Bodetal.
Welcher deiner Fernwanderwege hat dich am meisten geprägt, welcher war für dich der schönste?
„Das war definitiv meine erste lange Fernwanderung, damals ging es rund drei Monate und 1.500 Kilometer längs durch Großbritannien. Ich hatte so gut wie gar keine Fernwandererfahrung, musste mir vorher einen Großteil der Ausrüstung neu anschaffen. Das war alles ziemlich aufregend. Gleichzeitig ist es einfach etwas ganz Besonderes, diese große Freiheit zum ersten Mal zu spüren, sich zum ersten Mal auf so ein großes Abenteuer zu begeben. Das ist etwas, dass einem für immer bleiben wird und das man so kein zweites Mal erleben kann.“
Du bist in der jüngsten Zeit weniger gewandert, sondern hast viel Zeit auf dem Rad und beim Laufen verbracht du bist also deutlich rasanter in der Natur unterwegs. Kannst du da noch die kleinen Dinge wahrnehmen, in denen du das Große findest?
„In meinem Buch und bei meinen Aktivitäten geht es letztendlich darum, Natur bewusst zu erleben, sie kennen und schätzen zu lernen und einfach mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Das geht beim Radfahren oder Laufen prinzipiell genauso gut wie beim Wandern. Oder anders gesagt: Man kann auch mit Scheuklappen wandern gehen. Grundsätzlich liebe ich am Wandern die Entschleunigung, dass man ganz nah an allem dran ist und viele Dinge sieht, die man sonst vielleicht verpassen würde. Am Trailrunning hingegen schätze ich die körperliche und auch mentale Herausforderung, die große Flexibilität und Freiheit, das Verschmelzen von Bewegung und Landschaft. Und Radfahren ist eine großartige Möglichkeit, Regionen oder gar ganze Länder zu entdecken, ohne eine Barriere aus Blech zwischen sich und der Welt zu haben. Man kann in relativ kurzer Zeit große Entfernungen zurücklegen und trotzdem die ganze Zeit draußen sein (und übrigens ja auch jederzeit anhalten). Für mich gibt es da kein entweder oder, kein besser oder schlechter. Deswegen bin ich auch nach wie vor viel wandernd unterwegs, musste dieses Jahr allerdings wegen Corona einige geplante Touren absagen bzw. verschieben.“
Du sagst, du magst schlechtes Wetter. Was ist an Regen, Nebel und Sturm so reizvoll?
„Ich hab es schon als Kind geliebt, während unserer Urlaube an Nord- und Ostsee in die Gummistiefel zu schlüpfen und lange Ausflüge an wind- und wetterumtoste Strände zu unternehmen. Auch habe ich vermutlich einfach einen Hang zu Drama und Melancholie, was Landschaften angeht. Ich würde ein nebelverhangenes Schottland jederzeit einem karibischen Strand vorziehen. Und ja, natürlich mag ich es auch, nach einem Ausflug in Sturm und Regen zurück nach Hause und in trockene Klamotten oder gar ein heißes Bad zu kommen. Den ganzen Tag durch strömenden Regen zu wandern und dann am Ende des Tages in ein vom Vortag klitschnasses Zelt zu kriechen, finde allerdings auch ich nicht übermäßig erstrebenswert (vorsichtig ausgedrückt).“
Ich stolpere manchmal im Netz über Artikel, die verziert sind mit Überschriften wie „So wird dich das Fernwandern für immer verändern“ oder „Wie du beim Wandern zu dir findest“ – ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass man zwar zu sich findet, aber diese Abenteuerlust, der Drang ständig unterwegs zu sein, also einfach diese verrückte Art des Reisens, für viele nicht nachvollziehbar ist und auch einsam machen kann. Geht es dir genauso und wie gehst du mit Einsamkeit (auch auf dem Weg) um?
„Grundsätzlich bin ich gerne und viel allein unterwegs, einsam fühle ich mich dabei nur selten. Und wenn doch, habe ich mittlerweile gelernt, dass das einfach nur ein Gefühlszustand und keine Tatsache ist – und das dieses Gefühl meistens recht schnell wieder verfliegt. Ansonsten stoße ich mit dem, was ich mache, alles in allem auf ziemlich viel Zuspruch oder sogar Bewunderung in meinem engeren Umfeld, auch wenn die wenigsten meiner Freund*innen selbst so „verrückte Sachen“ machen (würden). Darüber hinaus hilft es aber bestimmt auch, dass ich meine Erlebnisse regelmäßig online teile und dort viel von Gleichgesinnten umgeben bin. Allein in der von mir gegründeten Facebook-Gruppe „Club der AbenteurerINNEN“ tummeln sich mittlerweile fast 10.000 abenteuerverrückte Frauen. Einsam fühlt man sich dort definitiv nicht.“
Wenn man wochenlang unterwegs ist, ist nach Hause kommen die wohl schwierigste Aufgabe. Wie empfindest du das?
„Ohja, das hab ich erst kürzlich nach meiner 2-monatigen Radreise durch Skandinavien wieder gemerkt. In den ersten Tagen dachte ich noch „och, alles halb so wild“ – und dann kam der große Einbruch (der zum Glück aber nur so ein, zwei Wochen angedauert hat). Grundsätzlich freue ich mich aber vor allem nach längeren Reisen auch immer ein bisschen auf die Heimkehr und insbesondere auf so banale Dinge wie einen Milchaufschäumer oder den ganzen Tag im Jogginganzug vorm Laptop zu sitzen und irgendwelche Texte zu schreiben. Zumal ich weiß, dass ja irgendwann wieder der nächste Aufbruch kommt.“
Was machst du eigentlich im Winter? Bis du da ein Murmeltier oder eher ein Schneehuhn?
„Ich mag eigentlich alle Jahreszeiten und bin zudem ziemlich immun gegen Kälte und Dunkelheit. Allerdings muss ich zugeben, dass ich die letzten Winter immer zum Teil im Ausland verbracht habe; entweder in warmen Gefilden oder in Skandinavien, also im „richtigen“ Winter. Da bin ich gespannt, wie das dieses Jahr mit Corona so wird. Langeweile und Bewegungsmangel werden jedenfalls nicht aufkommen, auch dafür bin ich meinem mittlerweile recht hohen Laufpensum übrigens sehr dankbar. Ich war insgesamt noch nie so oft und so viel draußen wie jetzt.“
Was sind deine Träume in Sachen Fernwandern?
„Ich möchte auf jeden Fall mehr von Deutschland erwandern, das kam bisher immer viel zu kurz. „Glücklicherweise“ passt dieses Vorhaben ja ganz gut zur aktuellen Situation. Ansonsten würde ich gerne mal für eine Weile ganz ohne Weg unterwegs sein – irgendwo, wo es sowas wie Wege (oder Häuser oder Supermärkte oder… ) überhaupt nicht gibt. Das wäre dann also so ziemlich das Gegenteil vom Wandern in Deutschland, aber auch hier gilt für mich: Die Mischung machts!“
Infos zum Buch „Fräulein Draußen“
Kathrin Heckmann
- Ullstein Paperback
- Klappenbroschur
- 256 Seiten
- ISBN: 9783864931055
- € 14,99 [D] € 15,50 [A]
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