Friedensweg – Achterbahnfahrt meiner Gefühle vor der Tour
Mehr als 8 Wochen Wanderschaft, davon 6 Wochen allein – ohne Wanderpartner liegen vor mir. Ein riesiger Traum geht da für mich in Erfüllung. Meine Wanderung auf dem Sentiero della Pace, dem italienischen Friedensweg, durch sechs verschiedene Alpenregionen bestimmt seit Wochen meine Gedanken und sorgt für alle möglichen Gefühlslagen. Ich will euch heute an diesen teilhaben lassen, denn dieses Projekt ist nicht nur im geografischen Sinne ein Grenzweg, sondern für mich auch ein emotionaler.
Wenn du wissen willst, wo genau dieser Friedensweg entlangläuft, dann findest du alle Infos im Artikel Sentiero della Pace – Verlauf des Friedensweges
Ich bin, weiß Gott, ein Mensch, dem die Herausforderung manchmal nicht groß genug sein kann. Mein Lebensmotto ist eine Mischung aus „Geht nicht, gibt’s nicht“, „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ und „Ich schaffe das“. Dass mir während der Vorbereitung meiner insgesamt 53 Tage durch die Alpen auf dem Friedensweg immer wieder den Satz: „Ich schaffe das nicht“ durch meinen Kopf schwirrt, erschüttert mich zwar nicht, zeigt aber wie groß dieses Projekt für mich ist.
670 Kilometer durch die Alpen – eine Kampfansage
Ich bin froh, einiges an Fernwandererfahrung zu haben. Allein in diesem Jahr stecken schon 300 Kilometer Strecke in meinen Füßen. Ich kann mich und meine Leistungsfähigkeit also ganz gut einschätzen und bin mir zumindest einigermaßen sicher, die 84.000 Höhenmeter auf 670 Kilometer zu schaffen. Mein, letzte Woche abgeschlossenes, Trekking auf dem Alpe-Adria-Trail hat mir jedoch noch einmal bestätigt, viele Tage hintereinander mehr als 20 Kilometer inklusive einiger Höhenmeter zu laufen, ist nicht mein Ding. Dann braucht‘s einen Pausentag pro Woche. Gut, dass meine Touren nur selten über 20 Kilometer haben und ich den ein oder anderen Pausentag eingeplant habe. Dennoch treibt mich natürlich die Frage um, wie ist das nach drei, fünf oder sieben Wochen? Wird es besser? Oder schlechter? Wie ist das, jeden Tag durchschnittlich 2.000 Höhenmeter am Tag zu laufen?
Die Tücken der Planung
Den langen Weg in einzelne Etappen aufzuteilen ging also recht schnell, jedoch überhaupt erst einmal den korrekten Wegverlauf zu finden, gestaltete sich da schon weit komplizierter. Fundierte, korrekte Informationen auf Deutsch über den Sentiero della Pace zu finden, ist nahezu unmöglich. Ein alter, nur in der DAV Bibliothek erhältlicher Reiseführer gleicht eher einer Geschichtsabhandlung, als einer guten Informationsquelle. Also griff ich auf die italienischen Abhandlungen zurück. An manchen Abenden wälzte ich so viele italienische Texte, dass ich schon glaubte, auf Italienisch Konversation betreiben zu können und war versucht, einfach irgendwo anzurufen. Es musste ja auch unbedingt ein Weg sein, den hier keiner kennt…
Mindestens zwei volle Wochenenden später stand der Weg. Doch der schwierigste Teil kam erst noch. In freudiger Erwartung auf Unterstützung bei der Recherche zu Unterkünften und Geschichtsexperten (für den Wanderführer, siehe unten) schrieb ich die Tourismusverbände an und bekam…? Richtig, nur selten eine Antwort. Große Ausnahmen sind die Touristenverbände Garda Trentino und Südtirol, die mir nicht nur bei der Recherche helfen, sondern mir auch mit ihren positiven Haltungen zu meinem Projekt den Rücken stärkten. In allen anderen Regionen begann ich alle Unterkünfte, Alpenvereine und Geschichtsexperten direkt anzuschreiben und bekam…? Du kennst die Antwort. Ich hing in einer gefühlt nie enden wollenden Warteschleife. Verstanden habe ich es bis heute nicht, warum so viele einfach nicht zurückschrieben.
Die wichtigsten Unterkünfte habe ich nun aber zusammen, die anderen werden spontan gesucht. Zur Not geht’s ins Biwak oder ins Zelt, denn: Geht nicht, gibt’s nicht!
Ist das überhaupt Urlaub?
Du wirst dich vielleicht Fragen, wie ich es schaffe 8 Wochen in den Alpen unterwegs zu sein? Nein, eine berufliche Auszeit kann ich mir als Selbstständige nicht nehmen. Ich habe aber das Glück, dass ich eigentlich überall Arbeiten kann, wenn ich einen Laptop und Internet habe. Also arbeite ich seit Februar alles was ich kann vor. Nicht selten sitze ich nun bis 20 Uhr und hänge anschließend noch einige Stunden für die Planung meines Weges an. Ohne Familie, die mich dabei unterstützt, ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht nur einmal habe ich gedacht: „Romy, so etwas machst du nicht noch einmal.“ Ich bin mir nicht sicher, ob die Planung des Weges und die Vorarbeiten das Erlebnis aufwiegen, aber noch habe ich die Ernte ja auch nicht eingefahren.
Auch während meiner Wanderung auf dem Friedensweg werde ich arbeiten müssen. Pausentage, Abende und vielleicht so manches Mal eine Mittagspause werde ich also am meinem Laptop sitzen. Ach ja, und ein Wanderführer soll ja auch noch entstehen, der – so hoffe ich – wird meine Kosten während meiner Tour decken. Was sagst du, ist das Urlaub? Ich sage: Egal wie ich es nenne, es ist eine Auszeit, wird eine tolle Erfahrung und: Ich schaffe das!
Allein…
Ich wandere ja grundsätzlich auch gern allein. Aber 6 Wochen lang? Aufgrund mangelnder Erfahrung bin ich sehr gespannt, wann wohl der Punkt kommen wird, an dem mir die vertraute Gesellschaft fehlt. Mit wem teile ich meine schwierigen und glücklichen Momente? Wem nöle ich bitteschön die Ohren voll, wenn ich einen schwierigen Aufstieg nicht mehr weiter gehen will? Kann ich alles allein mit mir abmachen? Hält meine Motivation? Auf all diese Fragen werde ich auf meinem Alpencross wohl Antworten finden. Hoffentlich auch auf die wegweisenden, die meine Zukunft betreffen.
Schon vor meiner Reise treiben mich ganz essentielle Fragen umher. Brauche ich wirklich ein eigenes Haus, den Luxus an technischen Geräten und so vieles anderes, für das ich wiederum so viel wertvolle Zeit in Arbeit investieren muss, damit ich mir das leisten kann? Was ist wirklich wichtig im Leben? Warum fühle ich mich im Alltag oft zu erschöpft, um den Müll rauszubringen, kann dann aber aus dem Stehgreif 1.700 Höhenmeter beschwingt auf den Berg stiefeln? Was geschieht mit diesen Fragen? Rücken sie wie bisher auf meinen Wanderungen völlig in den Hintergrund oder holen sie mich ein?
Klar ist mir, ich werde auch viel über mich selbst auf dieser Wanderung lernen. Wo sonst könnte ich das besser, als auf diesem Weg, der mir bereits so ans Herz gewachsen ist, obwohl ich nur ein paar Meter darauf gelaufen bin? Ein Weg, der grauenvolle Vergangenheit im Kontrast zur lebendigen Alpennatur zeigt, wird ein guter Ort sein, mich besser kennenzulernen.
… aber mit Lotte
So ganz allein bin ich aber nicht. Mit dabei ist meine fast zehnjährige Hündin Lotte. Wirklich, es wäre viel einfacher ohne sie zu gehen. Die Recherche der hundefreundlichen Unterkünfte würde sich erübrigen und ich hätte mindestens 3,5 Kilo weniger Gepäck zu schleppen. Vielleicht muss ich den Weg gar abbrechen, weil Lotte gesundheitlich schon die ein oder andere Baustelle hat und die Fernwanderung vielleicht gar nicht schafft. Dennoch: keine einzige Entscheidung bei der Vorbereitung des Weges ist mir so einfach gefallen wie die, Lotte mitnehmen zu wollen.
Es sind einerseits egoistische Motive, weil ich weiß, dass mich ihre Gesellschaft in den schweren Momenten aufbauen wird. Es ist das sichere Gefühl, das ein Hund vermittelt, wenn man allein unterwegs ist. Ich weiß auch, wie gut Lotte das Wandern tut. Was gibt es Besseres für einen Hund, als im Rudel durch die Lande zu streifen? Ich werde diese intensive Zeit mit Lotte bestimmt sehr genießen – vermutlich ist es unsere letzte große gemeinsame Tour.
Unterstützung nach 6 Wochen
Nach etwa sechs Wochen bekomme ich Unterstützung auf dem Weg nach Sexten und darauf freue ich mich ebenfalls sehr. Ich glaube es ist ein sehr guter Zeitpunkt. Meine Motivation wird abgenommen haben, ich werde unglaublich viel zu erzählen haben und freue mich jetzt schon darauf, den Weg gemeinsam genießen zu können. Es wird toll sein, gemeinsam über den Anstieg zu fluchen, gemeinsam Dinge am Horizont zu erkennen und abends den Tag bei einem Alster zusammen Revue passieren zu lassen. Es wird mir auch ganz sicher helfen, wieder alltagsfähig zu werden.
Das Ding mit dem Wanderführer
Der Friedensweg liegt mir schon jetzt sehr am Herzen. Alles, was ich bisher darüber in Erfahrung bringen konnte, löst prickelnde Vorfreude in mir aus, endlich jeden Meter darauf zu gehen. Ich glaube, dass dieser Weg nicht nur besonders schön ist, sondern auch eine Sinnhaftigkeit besitzt, die es auf anderen Wegen nicht gibt. Der Sentiero della Pace ist ein einziges Freilichtmuseum, das vorbei an Festungsanlagen, Schützengräben und vielen Relikten aus dem 1. Weltkrieg führt. Die Erinnerung an Kriege ist wichtig, um sie in Zukunft zu verhindern. Deshalb möchte ich vielen anderen die Gelegenheit geben, diesen Weg zu gehen. Ich freue mich unglaublich, dass der Rother Bergverlag sofort Interesse hatte und nach dem Konzept und dem Probekapitel mir den Vertrag zuschickte. Du darfst also für das nächste Jahr diesen Weg oder Teile davon auf deine Bucket-Liste setzen und von meiner Vorbereitungszeit profitieren. Du wirst einen hochwertigen Wanderführer an deiner Seite haben.
Patenschaft für syrische Kinder
Trotz dieser zuweilen schwierigen Vorbereitungen für diese Tour, bin ich unendlich dankbar dafür, diesen Weg gehen zu können. Mir die Freiheit zu nehmen, Dinge zu tun, die nicht alltäglich sind – ohne mir dabei Sorgen zu machen. Nicht um mein Leben, um meine Zukunft oder um meine Grundbedürfnisse nach Essen und Wasser. Ich gehe diesen Friedensweg, der an unsere Kriegsvergangenheit erinnert und gleichzeitig geht es vielen Mensch auf der Welt so wie uns vor 100 Jahren, oder noch schlimmer.
Für die Dauer meiner Wanderung übernehme ich für 44 Tage die Patenschaft für ein Schulprojekt des Vereins SyrienHilfe e.V. und sammele Spenden, die Kindern in Syrien direkt helfen. Ich unterstütze mit meinem Weg eine Schule in einem Flüchtlingslager der Provinz Idlib. Pro Tag kostet die Schule für 361 Schüler 200 €. Ich freue mich sehr, wenn du mich bei dieser Patenschaft unterstützt. Zum Beispiel mit:
- 1 € je Etappe auf die ich dich mitnehme und dir berichte = 44 €
- 1 Cent für jeden Kilometer auf dem Friedensweg = 6 €
- 10 Cent für jede Stunde, die ich mich die Berge hoch oder runter quäle = 25 € – für diesen Betrag kannst du den 361 Kindern in Idlib gleichzeitig 1 Unterrichtsstunde ermöglichen.
- Oder einen Betrag deiner Wahl
Bankverbindung
SyrienHilfe e.V.
Verwendungszweck „Alpen-Cross“
VR-Bank in Mittelbaden eG
IBAN: DE80 665 623 0000 1212 2012
BIC: GENODE61IFF
Die Spendenaktion ist mittlerweile beendet. Mehr als 5.000 € konnte ich für die Kinder sammeln. Du kannst das Projekt natürlich gern weiter unterstützen.
Was sagst du zu diesem Projekt? Oder hast du gar schon selbst eine solche Tour unternommen? Wie gehst du mit Schwierigkeiten bei der Planung um? Wovor hättest du am meisten Angst? Schreib es mir in die Kommentare, ich freue mich auf deine Ansichten!
Wenn du mehr über den Friedensweg erfahren möchtest, dann folge mir auf facebook, twitter oder instagram. Ich werde ab Juni den Weg in Gänze gehen und (wenn möglich) täglich auf meinen Social-Media-Kanälen berichten.
2 Kommentare zu “Friedensweg – Achterbahnfahrt meiner Gefühle vor der Tour”
Hi Romy,
Ich bewundere Deinen Mut und bin ein bisschen neidisch. Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Spaß, viel Erfolg und genieße die Zeit mit Dir. Ich habe Deinen Newsletter abonniert und freue mich von Dir zu hören.
LG
Maik
Hallo Maik,
ich wäre an deiner Stelle auch ein bisschen neidisch, so ging es mir nämlich auch immer, bei anderen Berichten. Nun aber mache ich es einfach und hoffe auf ein unvergessliches Erlebnis! Vielleicht kann ich dich ja mit meinen Berichten so inspirieren, dass du etwas ähnliches irgendwann einmal selbst machst 🙂
Liebe Grüße
Romy