Die erste Fernwanderung – 10 Tipps
Es ist die schönste Nebensache der Welt: auf eine Fernwanderung gehen. Jeden Tag den Rucksack zu schultern, ein neues Ziel anzupeilen und dabei durch die abgelegensten Ecken, wildeste Natur und faszinierendste Landschaften zu marschieren, das ist für viele ein Traum. Ich persönlich finde, Träume sind dazu da, sie sich zu erfüllen, auch wenn sie zunächst unerreichbar wirken, schwer umzusetzen sind und einem einiges abverlangen. Am Anfang steht man nämlich erst mal vor einem Berg voller Fragen: Welche Ausrüstung ist wichtig? Was kann ich überhaupt schaffen? Wie ist der Weg? Werde ich mich verlaufen? Diese Liste lässt sich unendlich fortsetzen. Wenn du vor deiner ersten Fernwanderung stehst, wird dir dieser Artikel (hoffentlich) eine Hilfe sein. Ich habe in diesem Artikel die wichtigsten 10 Tipps für die erste Fernwanderung – jahrelang erprobt – zusammengestellt. Wenn du diese beherzigst, wird sie ziemlich sicher gelingen und für dich ein einmaliges Erlebnis werden.
Ich erhebe sicherlich nicht den Anspruch der absolute Profi zu sein, der auf alle Fragen eine perfekte Antwort hat, auch wenn ich bereits viele (womöglich tausende) Kilometer auf Fernwanderwegen und Mehrtagestouren unterwegs war. Vielmehr möchte ich dir Mut machen und dir zeigen, dass es nicht den einen Königsweg gibt, sondern jeder seinen eigenen Weg finden muss. Wenn du dazu eine gute Portion Durchhaltewillen, Improvisationstalent und Optimismus in deinen Trekking-Rucksack packst, dann wird das schon!
1. Was muss mit? Investiere Zeit in die Suche der passenden Ausrüstung…
… aber überschätze nicht ihre Bedeutung.
Ich habe manchmal das Gefühl, so manch Wanderer versucht mit möglichst viel perfekter Ausrüstung, die Angst vor der Ungewissheit zu bändigen. Da werden Pulver und Salben für jedes Wehwehchen, Tape und Kabelbinder für alle möglichen Reparaturen und in Sachen Kleidung das Beste vom Besten für jede Wetterlage gekauft. Am Ende kostet die Ausrüstung mehr, als die Fernwanderung selbst. Mein Grundsatz lautet hingegen: Sichere dich so gut es geht ab, aber übertreibe es nicht, denn jedes Risiko kannst du ohnehin nicht eliminieren. Die beste Jacke, der schnittigste Schuh und der kalorienreichste Riegel geben am Ende nicht den Ausschlag, ob du den Weg schaffst. Vielmehr sind es Körper und Kopf, die gefordert sind. Bist du mental stark? Hast du die entsprechende Fitness? Das sind die entscheidenden Punkte, um eine Fernwanderung zu schaffen.
Natürlich braucht es einige gute Basics für die erste Fernwanderung. Da sind ein paar gute Wanderschuhe, ein passender Rucksack und eine regendichte Jacke zu nennen. Hier solltest du hochwertige Sachen auswählen und diese am besten in einem Fachgeschäft kaufen. Der Rucksack gehört ebenso wie Wanderschuhe anprobiert und im Geschäft ausgiebig getestet. Dort findet man auch die echten Experten, die genau wissen, welchen Schuh du für eine Mittelgebirgswanderung und welchen für ein alpines Abenteuer brauchst. Na klar, auch Funktionskleidung, die leicht ist und schnell trocknet, ist von Vorteil. Ich habe die ersten Mehrtagestouren mit einer normalen kurzen Hose und einem alten Fließ aber auch geschafft. Woran du sonst unbedingt denken solltest ist ein kleines 1. Hilfe-Set, Notproviant und ein Biwaksack (im alpinen Gelände) – das muss immer dabei sein. Alles andere hängt ein bisschen davon ab, wo und wann du wanderst.
Zur Orientierung kannst du dir meine Packliste für eine alpine Fernwanderung anschauen.
Packliste – Alpentouren (mit Zelt)
2. Im Rucksack: Vermeide das entscheidende Kilo zu viel….
…, denn es wird dir die Freude am Fernwandern nehmen.
Die wichtigste Regel: Der Rucksack sollte nicht größer sein als du selbst. Kleiner Scherz, das ist natürlich selbstverständlich. Dennoch wird das Gewicht deines Rucksacks der Punkt sein, der dir am meisten Kopfzerbrechen bereiten wird. Denn es ist nämlich gar nicht so leicht die überflüssigen von den wichtigen Dingen zu trennen. Mein erster Tipp in dieser Sache: Fürchte dich nicht vor Langeweile. Die wirst du vermutlich nicht haben. Wenn du den ganzen Tag an der frischen Luft bist, körperlich erschöpft bist, brauchst du vermutlich kein Buch mehr. Du wirst bei einer Fernwanderung in einem ganz anderen Zustand der Zufriedenheit sein und nur ganz wenig vermissen. Ich weiß wie schwer vorstellbar das ist. Ich schleppe zwar keine Bücher mit, habe aber immer welche auf dem Handy – ich habe noch nie (!) auch nur eine Seite unterwegs davon gelesen. Stattdessen habe ich mit anderen Wanderern gesellige Abende verbracht, Spiele gespielt oder mich zur Not mit überall herumliegenden Zeitschriften begnügt. Die meisten schicken ihre „Unterhaltungssachen“ ohnehin nach einer Woche per Post nach Hause. Da kannst du sie auch gleich dort lassen.
Du kannst dich nicht vom „Ausgeh-Dress“ für den Abend trennen? Warum? Weil du Angst davor hast, was andere denken? Du wirst die meisten nie wiedersehen, denn morgen bist du schon an einem anderen Ort. Und die, die mit dir wandern, sitzen auch jeden Abend in den Wanderklamotten am Tisch.
Warum aber nun ist es so entscheidend beim Fernwandern auf das Gewicht zu achten? Es ist der wichtigste Faktor, um Spaß am Wandern zu haben. Jeder hat sein Wohlfühlgewicht und wenn du es überschreitest wird es zur Qual. Na klar, man kann das Gehen mit schwerem Rucksack auch trainieren, viel fröhlicher bist du aber, wenn du fit bist und einen leichten Rucksack hast. Eine Faustregel besagt, dass man am besten nicht mehr als 20 Prozent seines Körpergewichts tragen sollte. Die Erfahrung jedoch zeigt, dass man sich eher in Richtung 10 Prozent bewegen sollte. Eines weiß ich ganz sicher: Jedes Gramm zu viel wirst du unterwegs verfluchen, während du wohl eher niemals einen Luxusgegenstand vermissen wirst. Der Minimalismus ist wohl das Befreiendste auf einer langen Fernwanderung.
3. Vorbereitung & Training: Lerne dich einzuschätzen…
…. und akzeptiere, dass Selbstüberschätzung dazu gehört. Stehe dazu, brich eine Tour auch mal ab.
Ich gebe zu, selbst als „alter Hase“ bin ich in diesem Punkt nicht gefeit davor, Fehler zu machen. Gerne passiert mir das am Anfang der Alpensaison. 1500 Höhenmeter auf der ersten Tour? Das habe ich doch letzten Herbst auch geschafft und im Winter war ich die ganze Zeit im Harz. Passt schon? Nun ja, womöglich schaffe ich das, aber Freude habe ich dabei nicht. Du siehst, ich weiß es eigentlich besser, aber es gibt so viele schöne Dinge zu sehen und ich will sie alle in meinem kurzen Leben sehen. Selbstüberschätzung ist das größte Problem. Für mich, aber womöglich auch für jeden, der das erste Mal auf Fernwanderung geht.
Was mir hingegen nicht mehr passiert, ist den Abstieg zu unterschätzen. Viele meinen nämlich, dass sei ein Kinderspiel. Aber das Bergabgehen ist ja nicht unbedingt leichter, im Gegenteil: Man ist müde, die Muskulatur ist erschöpft und die Konzentration lässt nach. Und: Die meisten Unfälle passieren beim Bergabgehen. Ein weiteres Problem vor allem bei Fernwanderwegen in den Bergen ist, die Höhenmeter bei der Beurteilung auszublenden und nur auf die Kilometer zu schauen. Wer jedoch 2000 Höhenmeter auf 10 Kilometer aufsteigt, braucht dafür womöglich einen ganzen Tag. Im flachen Gelände schaff ich die Kilometer allerdings in zwei Stunden. Um diesen Faktor besser einschätzen zu können, hilft nur, sich entweder langsam heranzutasten oder auf Tagestouren einzuschätzen, wie viele Höhenmeter man an einem Tag auch schaffen kann.
Wie du die Schwierigkeiten der Wege bei Hüttentouren einschätzen kannst, habe ich in diesem Artikel zusammengefasst
Routenplanung für Hüttentouren
Ach ja, und dann gibt es noch das Problem mit den Zeitangaben. Bei Wanderbüchern beispielsweise ist es immer die subjektive Einschätzung des Autors, der womöglich ein wenig fitter ist als du. Das Gleiche gilt für Beschilderungen. Plane also bei der ersten Fernwanderung besser Zeitpuffer – mindestens eine Stunde, besser zwei, am Tag – ein. Falls du dich doch einmal falsch eingeschätzt hast, sei nicht zu stolz, um eine Tour abzubrechen oder umzuplanen. Es ist nämlich eine Stärke, sich einen Fehler einzugestehen. Zumal auch beim Wandern Murphys Gesetz gilt: Läufst du schon auf der letzten Rille, verpasst du vielleicht unkonzentriert den Abzweig und verläufst dich. Oder ein Gewitter zieht auf, weil du nicht früh genug an der Hütte bist. Oder du bist erschöpft und knickst beim Abstieg um. Plane also bei der ersten Fernwanderung immer ein bisschen weniger, als du denkst, schaffen zu können.
4. Orientierung: Nutze technische Hilfsmittel…
… aber übertreibe es nicht.
Nein, mit einem Kompass musst du nicht mehr navigieren, um an dein Ziel zu kommen, eine Karte jedoch schadet sicher nicht. Vielleicht wirst du auch diese unterwegs nur selten brauchen, aber für die Tagesplanung am Abend ist sie für mich ein ganz wichtiger Bestandteil. Unterwegs nutze ich immer digitale Navigations-Apps. Sie zeigen mir nämlich nicht nur wo ich hinmuss, sondern auch wo ich mich gerade befinde. Internet brauchst du dafür nicht, denn die Karten lassen sich zu Hause herunterladen, sind offline verfügbar und laufen mit GPS. Dafür braucht es lediglich ein bisschen Übung und ein Smartphone. Diese Apps zeigen dir auch an, wieviel Weg noch vor dir liegt, was du an Höhenmeter noch bewältigen musst und du kannst deine Touren sogar unterwegs anpassen, wenn du beispielsweise noch einen Berg am Weg besteigen willst.
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Ich bin seit einem Jahr mit Komoot unterwegs. Die Touren plane ich in der Regel zu Hause. Gehe ich einen ausgewiesenen Fernwanderweg, lade ich am PC dazu einen GPX-Track hoch und passe die Tour an. Auf den sieben Mehrtagestouren in 2020 hat mich Komoot nicht einmal im Stich gelassen – das gab mir auf 1000km alle Sicherheit, die ich brauchte.
Aber mehr braucht’s dann auch nicht wirklich. Du musst dir keine teure GPS-Uhr für die erste Fernwanderung zulegen und auch kein Wandernavigationsgerät. Denke lediglich daran, dein Smartphone in den Batteriesparmodus zu stellen, um Akku zu sparen. Noch besser ist es, auch den Mobilfunk auszustellen. Wenn du einen „heruntergekommenen“ Akku hast, solltest du eine Powerbank mitführen, die dein Handy in den Pausen wieder mit neuem Strom versorgt.
5. Welcher Weg: Such dir einen Fernwanderweg aus, der einen Namen hat…
… und investiere viel Zeit in die Vorbereitung.
Ich gebe es zu, noch schöner als einen bekannten und ausgewiesenen Fernwanderweg zu laufen, ist es sich seine eigenen Routen zu suchen. Die sind nämlich oft viel einsamer und unberührter. Allerdings solltest du dir so etwas nur vornehmen, wenn du schon Erfahrung auf ausgewiesenen Fernwanderwegen gesammelt hast. Bist du Einsteiger, suchst du dir am besten einen Weg aus, der einen Namen hat. Das bringt gleich mehrere Vorteile für dich. In der Regel gibt es eine Vielzahl an Informationen zu dem Weg. Auf Wanderseiten und Blogs im Internet, in Wanderführern und auf den Seiten der jeweiligen Regionen. Du findest also eine Fülle von Informationen, die es dir erleichtern die Anforderungen des Weges richtig einzuschätzen.
Zweites ist der Weg in der Regel recht gut ausgeschildert, so dass du unterwegs keine sonderlichen Schwierigkeiten haben wirst, den richtigen Weg zu finden und dein Ziel zu erreichen. Drittens wirst du vermutlich nicht die/der einzige sein, die/der diesen Weg wandert. Das ist am Anfang keineswegs ein Nachteil! Im Gegenteil, es ist sogar sehr beruhigend, wenn es eine handvoll anderer Wanderer gibt, denen man begegnet, mit denen man sich am Abend über den bevorstehenden Tag austauschen kann und die sich vielleicht auch mal um einen sorgen, wenn man um 19:00 noch nicht an der Unterkunft angekommen ist.
Doch welche Fernwanderung soll es nun genau für das erste Mal sein? Bist du bisher nicht sonderlich viel gewandert und warst gar noch nie in den Alpen unterwegs, solltest du vermutlich am besten mit einem Weg im Flachland oder in den deutschen Mittelgebirgen starten. Klar, sie sind vielleicht nicht so wild und abenteuerlich (obwohl es auch die gibt), aber du wirst ohnehin genügend Neues bei der einer ersten Fernwanderung verarbeiten müssen. Du kannst auch in der Regel gut aus dem Weg aussteigen, wenn du merkst, dass Fernwandern doch nicht das Richtige ist. Einige dieser Wege findest du in der Rubrik Fernwanderwege Deutschland. Hast du schon alpine Erfahrung in Tagestouren gesammelt, kann dein erster Weg auch ein einfacher Höhenweg sein. Zum Beispiel der Meraner Höhenweg oder auch der Alpe-Adria-Trail.
Meine Bloggerkollegin Fräulein Draußen hat übrigens einige gute Wege für Anfänger zusammengestellt. Fräulein Draußen
6. Denk nicht zu viel über’s Essen nach…
… denn mit schwerem Magen wandert’s sich schlecht.
Dieser Punkt hängt natürlich stark davon ab, wo und wie du wanderst. Willst du allein im Zelt durch Skandinavien wandern oder bist eher ein „Spargel“, braucht es natürlich mehr Überlegung und auch Essen, als wenn du auf einen Fernwanderweg in den Alpen oder Deutschland unterwegs bist. Dennoch, wer sich auf eine Fernwanderung begibt, tut dies ja auch, um zurück zu den bodenständigen und wesentlichen Dingen im Leben zu finden. Logisch, dass sich dann alles auch auf die Grundbedürfnisse wie Wärme, Essen und Schutz vor der Witterung reduziert. Einige Einsteiger jedoch scheinen die größte Angst davor zu haben, zu verhungern und schleppen unzählige Riegel, Proteinnahrung, frisches Obst und Gemüse mit sicher herum. Das ist natürlich viel zu schwer und auch total unpraktisch. Zumal ich persönlich die Erfahrung gemacht und auch an anderen beobachtet habe, dass man am Tage während des Wanderns nicht unbedingt einen ausgeprägten Hunger empfindet.
Mir wird beispielsweise bei hochkalorischen Proteinriegeln unterwegs regelrecht übel und ohnehin bekomm ich am Tage kaum etwas runter. Es ist ein bisschen so, als würde sich mein Körper gegen aufwändige Verdauungsprozesse wehren, weil er mit anderen Dingen befasst ist. Das geht meinem Hund lustigerweise genauso. Da er ja doch etwas mehr Wildheit und Ursprünglichkeit in sich trägt und noch viel mehr gelernt hat auf Körper und Sinne zu hören, schenke ich dem eine hohe Bedeutung und versuche auch selbst etwas mehr auf meinen Körper zu hören.
Ein paar Riegel habe auch ich immer dabei, aber was Leichteres mit Nüssen, Schokolade und Honig. Wenn mir gegen Ende der Tour die Spitzigkeit fehlt, dann ist so etwas genau das Richtige. Mittags reicht ein Stück Käse oder Salami mit Brot. Ich habe Gefallen am „Brotkorb“ gefunden. Das sind einzeln verpackte Vollkornschnitten, die lange haltbar sind. Manche bevorzugen auch Schüttelbrot, ein hartes, getrocknetes Fladenbrot. Wer mit dem Zelt startet, kann bei der ersten Tour auch auf fertige (oft hochkalorische) Trekkingnahrung zurückgreifen, die es im Fachmarkt gibt und nur mit kochendem Wasser vom Gaskocher aufgegossen wird.
Ich selbst stelle es mir (allerdings mit sehr viel weniger Aufwand als andere) selbst zusammen. Dazu nehme ich Mi-Nudeln und Tütensuppen unterschiedlichen Geschmacks. Fertig. Ok, ich bin halt kein Gourmet, mir reichts, wenn ich satt werde. Obst oder Gemüse gibt es nur unterwegs gekauft oder vom Wegesrand. Ich esse morgens nichts. Andere essen Porridge, Haferbrei oder Müsli mit Milchpulver und Wasser. Ich würde dir aber für den Anfang raten, lieber ein bisschen weniger Geld für die perfekte Ausrüstung auszugeben und stattdessen abends in einer Hütte oder einer Pizzeria zu essen, sofern es das auf deinem Weg gibt. Ein kleiner Wasserfilter ist unterwegs hilfreich, um stets sauberes Wasser zu haben.
7. Wanderpartner: Geh nicht allein auf Fernwanderung….
… und wenn doch, sichere dich ab.
Es ist die Grundregel, die ich selbst oft genug nicht einhalte, die aber dennoch hierhergehört. Allein auf einer Fernwanderung unterwegs zu sein, birgt Gefahren. Aber nicht die, einem Verbrechen zum Opfer zu fallen. Da ist der abendliche Heimweg in einer Stadt sicher deutlich gefährlicher. Vielmehr fehlt, wenn eben doch einmal etwas passiert, ein Begleiter, der Hilfe organisieren kann beziehungsweise erste Hilfe leistet. Daher wird die Regel „Niemals allein am Berg“ besonders in den Alpen großgeschrieben.
Solowandern jedoch ist etwas ganz Feines. Kompromisslos zum Beispiel. Kein Wanderpartner der dir davon- oder hinterherläuft, keiner, der redet, wenn du schweigen willst und keiner, der deine Entscheidungen in Frage stellt. Allein wandern macht nicht einsam, sondern stark und bietet ganz viel Raum für sich selbst und für neue Bekanntschaften. Es gibt tausend Gründe allein unterwegs zu sein, aber das wäre einen eigenen Artikel wert.
Wenn ich allein unterwegs bin, dann versuche ich dennoch, dass damit verbundene Risiko zu minimieren – vor allem im alpinen Raum. Ich habe meist einen Guide zu Hause, der erstens selbst weiß was alpines Wandern heißt und zweitens eine Kopie meiner Wanderkarte mit dem geplanten Weg und hat. Zu gemeinsam festgelegten Zeiten oder nach schwierigen Passagen, muss ich mich melden. Eine Liste mit Telefonnummern der Hütten, die ich ansteuere, liegt neben der Karte. So hat zumindest einer eine Ahnung, wo ich mich befinde, sollte ich nicht am Ziel ankommen. Mein Mobilfunk ist immer an, damit ich im Zweifel geortet werden kann. Natürlich bleibt ein Restrisiko. Kein Netz zum Beispiel. Oder ein Unfall, bei dem eine Soforthilfe erforderlich ist. Aber das nehme ich in Kauf. Vielleicht solltest du das bei deiner ersten Fernwanderung nicht. Falls doch, sicherer dich zumindest ab. Es gibt auch Notfall-GPS-Tracker mit denen man seinen Standort von überall übermitteln kann.
8. Gelassenheit: Nimm es so wie es kommt….
… auch wenn du es anders erwartet hast.
Beim Thema Gelassenheit musste ich wohl am meisten dazulernen und es ist vielleicht auch das größte Geschenk, was mir meine Fernwanderungen gemacht haben. Wer sich das erste Mal auf eine Fernwanderung begibt (und auch bei der zweiten und dritten und…) hat einen Weg voller Unbekannten vor sich. Das macht ja zugleich das Abenteuer und den Reiz aus. Aber dazu kommt, dass wir zusätzlich der Natur völlig ausgesetzt sind. Wir können beim Gewitter nicht einfach ins Haus oder bei einem Abbruch des Weges einfach querfeldein weiter gehen. Vor allem aber können wir nach dem „Gameover“ nicht einfach auf „Neustart“ klicken. Welche Kraft die Natur hat – und wie wenig sie auf uns Rücksicht nimmt – relativiert alles.
Ich erinnere mich, wie ich in den Alpen auf einem kilometerlangen Restschneefeld lief und plötzlich so dicker Nebel aufzog, dass alles nur noch weiß war. Kein Horizont war mehr zu erkennen, kein Berg, kein Weg. Oder wie rasant ein Mordsgewitter aufzog, ich nur wenige Höhenmeter unter dem Grat. Oder ich in einer Geröllrinne festhing und nicht vor- und auch nicht zurückkam. Dann hilft keine Panik, sondern nur noch Gelassenheit. Aus der ersten Situation rettete mich meine Navigations-App, aus der zweiten ein rasanter Abstieg und mein Biwaksack und aus der dritten eine Pause, in der ich mich sammelte und schließlich doch den Weg zurückschaffte.
Schon oft hatte ich mir zudem ausgemalt, wie toll diese oder jene Gipfelbesteigung werden würde, nur um dann doch, weil das Wetter nicht passte oder die Kraft nicht reichte, traurig daran vorbeizulaufen. „Es ist so wie es ist“ – das ist fast schon ein Leitspruch geworden. Einer, den ich auch dir ans Herz legen will. Wenn du am Anfang stehst, dann fange eben mit einem leichten Weg an, wenn du die Etappe nicht schaffst, dann kürze sie oder fahre ein Stück mit dem Bus. Und wenn du den Gipfel nicht besteigen kannst, komm ein anderes Mal wieder. Es ist halt so wie es ist.
9. Wer bin ich? Lerne dich neu kennen…
… und empfange dich mit offenen Armen.
Jede Fernwanderung hat ihren Tiefpunkt. Das kann ich dir versprechen. Ein Tag, an dem alles schiefgeht, ein Tag, der landschaftlich nichts zu bieten hatte oder, wenn du stinkst und in der Unterkunft die Duschen kaputt sind. Das sind Momente, die sich vielleicht für dich furchtbar anfühlen. Aber irgendwann, wenn du wieder zu Hause bist, da erinnerst du dich an diese eine Unterkunft, wo du so stinkend beim Abendessen gesessen hast und kannst nur noch darüber lachen. Denn eigentlich ist es mit ein bisschen Abstand meist gar nicht mehr so dramatisch.
Du hast gedacht, du bist schneller unterwegs? Oder, dass dir 20 Kilometer auf Asphalt nichts ausmachen? Du denkst, ein Matratzenlager überstehst du keine Nacht? Oder, dass du eine Dusche, die gleichzeitig die Toilette ist und von 50 anderen genutzt wird, niemals im Leben benutzen könntest? Vielleicht ist das so. Vielleicht aber auch nicht. Fernwandern wird dich immer mal wieder an deine Grenzen bringen, dich raus aus deiner Komfortzone zwingen. Vielleicht wirst du feststellen, dass du Dinge überstehst, die du dir nie hast vorstellen können. Dein Selbstbewusstsein dankt es dir. Andererseits aber kannst du auch an vermeintlich einfachen Situationen scheitern. Das ist dann nicht so gut für’s Selbstbewusstsein. Dann hilft nur, sich selbst zu vergeben, einen Pausentag zu machen und weiterzugehen.
10. Mache den ersten Schritt….
Auch wenn dein Berg an Fragen immer noch sehr groß ist, er wird nur kleiner, wenn du es angehst. Mach den ersten Schritt, kläre die ersten Fragen, beginne mit der Planung und dann wird der Berg auch immer kleiner. Ich habe die Geschichte schon mal erzählt, aber sie ist so passend: Die Geschichte, wo ich auf meiner 8-wöchigen Wanderung auf den Sentiero della Pace nach einem dieser eher schlechteren Tage vor einem riesigen Berg stand. Er wirkte kalt und schroff, irgendwie abweisend. 800 Höhenmeter ragten da vor mir auf, gefühlt senkrecht. Aber da oben war der Pass über den ich musste. Also machte ich zaghafte Schritte in seine Richtung. Einen Weg erkannte ich nicht und befürchtete schon, mich da weglos hinaufschleppen zu müssen. Doch je näher ich den steilen Felsen kam, je mehr Schritte ich in die Richtung machte, desto klarer wurde der kleine Pfad. Er war anfangs kaum zu erkennen und vielleicht auch nicht sonderlich breit, aber er brachte mich Stufe für Stufe sicher nach oben. Viel schneller als gedacht. Es geht eben oft darum, den ersten Schritt zu machen.
Du hast noch Fragen, die ich nicht aufgegriffen haben? Oder du warst selbst schon auf Fernwanderwegen unterwegs und hast Anregungen? Dann freue ich mich auf deinen Kommentar.
20 Kommentare zu “Die erste Fernwanderung – 10 Tipps”
Tolle Tipps und wertvolle Gedanken, liebe Romy! Punkt 9 finde ich besonders schön und wichtig. Ich glaube man lässt sich gerade als Fernwander-Anfänger/in viel zu oft von Erwartungen leiten, die man sich selbst auferlegt hat bzw. die einem von außen aufgedrängt werden. Dabei ist Fernwandern so eine tolle und einzigartige Chance, das alles einfach mal hinter sich zu lassen. Das sollte man nicht verpassen.
Ein Buch (bzw. unzählige Bücher auf meinem eBook Reader) habe ich übrigens fast immer dabei. Das ist mein Luxusgegenstand – ich liebe es einfach, abends im Zelt / Bett zu lesen, insbesondere auf längeren Wanderungen. Allerdings sehe ich das weniger als Mittel gegen Langeweile, sondern eher als zusätzliche Bereicherung.
Ansonsten kann Langeweile auf solchen Touren aber auch mal ganz schön sein und gehört in gewisser Weise ja sogar dazu. Und eigentlich ist Langeweile ja auch gar negative und definitiv nichts, wovor man sich fürchten sollte und muss.
Liebe Grüße (und danke für die Verlinkung)
Kathrin
*gar nicht negativ 😉
Ich kann mich auch nicht ganz von Büchern lösen, und nehme sogar solche aus Papier mit auf die Wanderung. Am liebsten etwas über die Region, durch die der Weg führt.
Am liebsten Bücher, die man nach dem Lesen nicht mehr benötigt und auf einer Hütte oder an einer Bushaltestelle liegen lassen kann. Oder Reclam-Hefte. Da ist das Inhalt-/Gewichtsverhältnis phänomenal.
Aber es stimmt schon, man kommt während langer Wanderungen viel weniger zum Lesen als auf anderen Reisen.
Ich sehe schon, an den Büchern scheiden sich die Geister 😉 Aber lieber Andreas, für die Reclam-Hefte braucht man ja am Abend noch richtig geistige Kapazitäten, oder gibt es da mehr als Goethe & Co.? Dazu wäre ich vermutlich erst nach Monaten Fernwandern in der Lage…
Danke dir, liebe Kathrin! Das mit den Büchern/eReader ist natürlich individuell verschieden. Es sollte vielmehr als Beispiel dienen, weil viele (inklusive mir) vor der Wanderung diese Angst vor der Langweile haben, die aber meist gar nicht eintritt, bzw. wie du schreibst sogar sehr gut auszuhalten ist, wenn man abends körperlich erschöpft am Ziel angekommen ist. Ich sitze dann nämlich total gern einfach nur rum und klotze blöd, aber sehr zufrieden, in der Gegend herum. Ein eReader ist sicher nicht der schlechteste Luxusartikel, den man dabei haben kann. Mein Luxusartikel ist mein Hund, der dann eben mal 2-3 Kilo im Rucksack (Hundefutter etc.) ausmacht. Da ist der eReader sehr viel leichter, aber auch der Hund hilft gegen Langeweile 😉
Vielleicht noch ein Tipp, sowohl für Alleinwanderer als auch für Paare/Freunde, die herausfinden wollen, ob ihre Wanderstile zueinander passen:
Die erste Fernwanderung kann man ganz in der Nähe machen. In unseren Breitengraden geht ja alle paar Kilometer ein Fernwanderweg oder Pilgerweg vorbei. Da sucht man sich ein Stück aus und geht mal eine Woche.
Dabei muss man weniger planen, weil man das Land schon kennt. Man muss weniger mitschleppen, weil man im Normalfall einmal am Tag an einem Laden vorbeikommt. Und wenn nicht, dann traut man sich vielleicht leichter, mal wo zu klingeln und nach einem Apfel zu fragen.
Und man merkt, wie viele Kilos man tragen kann, was man sowieso nicht braucht, und was einem wichtig ist.
Ich bin zB letzten Sommer den König-Ludwig-Weg in Bayern gegangen: https://andreas-moser.blog/tag/koenig-ludwig-weg/ Das sind nur 110 km und ziemlich einfach, aber sehr schön. Ein guter Einstieg für Anfänger. Und wenn man keine Lust mehr hat, ist man nie weit weg von der nächsten Bushaltestelle.
danke für all eure tipps, ich fang mal an zu planen!!
Yeahhhh! Wie schön, wieder jemanden auf seinem Weg geholfen zu haben. Genieß es, auch wenn es so viele Unbekannte gibt, die erste Fernwanderung (und Planung) wird immer was besonderes sein. Liebe Grüße Romy
Hallo Romy
Dein Blog hat mich beeindruckt und wir sind selber am Planen einer mehrtägigen Wanderung.. Frage zum Thema Schirm Was für ein Model kannst du mir empfehlen den auf deiner Packliste habe ich keinen gefunden und wegen meiner Kamera wäre so ein Schirm sicher nicht schlecht Gruss Edi
Hey Edi,
ich habe in der Tat keinen Schirm mehr dabei. Das liegt aber weniger am System, sondern eher daran, dass ich wirklich auf jedes Gramm achte. Ich werde lieber mal nass, als auf einer langen Tour den Schirm mitzuschleppen. Ich war aber mit diesem hier sehr zufrieden: https://amzn.to/3mPR3cA
Liebe Grüße!
Romy
Hallo Romy,
ein schöner Blog & tolle Tipps! Ich fange gerade an eine Fernwanderung zu planen. Bin bisher nur Tagestouren gewandert. Möchte gern alleine mit meinem Hund los ziehen, mach mir aber etwas sorgen wegen dem Futter… wie du so schön geschrieben hast habe auch ich Angst, dass mein Hund & ich verhungern 😉 wie machst du das immer?
Viele Grüße Anne
Hey Anne,
also zuerst ist die Angst wohl ganz normal – aber in der Regel unbegründet ;-). Ich habe zum Thema Hundefutter auf Mehrtagestouren schon einen eigenen Artikel geschrieben. Das sollte dir helfen: https://www.etappen-wandern.de/ausruestung-persoenliches/wandern-mit-hund-dies-und-das/mehrtagestouren-hundefutter-unterwegs/
Liebe Grüße!
Romy
Hallo Romy,
habe hier schon sehr viele hilfreiche Informationen bekommen, danke dir dafür.
Ich plane meine erste Fernwanderung und bin am überlegen, wie ich es mit den Übernachtungen planen kann (möchte nicht im Zelt schlafen). Hast du dafür eventuell einen Tipp? Ich denke, es macht wenig Sinn schon alle Übernachtungen vorab zu buchen. Gibt es ggf. hilfreiche Apps dafür oder hast du Erfahrungen, die du mir weitergeben kannst?
Viele liebe Grüße
Suse
Hey Suse,
das freut mich sehr! Ich würde vermutlich die ersten 3 bis 5 Übernachtungen schon von zu Hause buchen und mir auch so etwas wie einen Plan machen, wo ich danach schlafen würde und mir eine Liste mit Unterkünften mitnehmen. In Wanderführern hat meiste schon jemand diese Arbeit gemacht. Und dann würde ich vermutlich so am 3. Tage, wenn man alles etwas besser abschätzen kann, die nächsten zwei Hütten/Unterkünfte buchen. Booking ist schon grundsätzlich eine ganz gute Option.
Liebe Grüße und viel Spaß auf deiner allerersten Tour!
Romy
Vielen lieben Dank.
Liebe Grüße
Suse
Hallo Suse, ich bin vor 4 Jahren von Prag nach Paris gewandert, auf eigener Route und dem E3. Für die ersten Nächte in Tschechien habe ich die Unterkünfte lange im Voraus gebucht. In Abständen von ca. 20 km. Aber ich habe sehr schnell gemerkt, wie festgelegt ich dadurch bin. Ab Deutschland habe ich dann ein, zwei Tage im Voraus gebucht und die Unterkünfte sollten nicht teurer als 30 Euro die Nacht sein. Teilweise habe ich Google für die Suche genutzt, hilfreich waren auch die Gastgeberinfos der Orte oder die Touriinfos, die mir auch schon mal Unterkünfte im Voraus vorgeschlagen haben. Und in Frankreich wäre ich dann ohne AirBNB aufgeschmissen gewesen. Diese Chance zur Spontaneität hat es dann zwei- dreimal mit sich gebracht, dass ich über 40 km laufen musste. Ging dann auch irgendwie. Und ich hatte für den Notfall auch Tarp und Schlafsack dabei – und hab es auch viermal gebraucht. Aber ich war bei meinem Abenteuer 68 Jahre alt, habe jede Herausforderung gemeistert und würde es jederzeit genauso wieder machen. Aber statt Tarp lieber ein Zelt mitnehmen. Wenn man morgens schon mit Flohbissen aufwacht oder mit breiten Schneckenspuren auf dem Schlafsack, ist das schon sehr gewöhnungsbedürftig. Liebe Grüße und viel Spaß bei deinem Abenteuer
Jürgen
Hallo Romy, danke für die wertvollen und entspannten Tips zum Fernwandern. Nur würde ich Neulingen dringend empfehlen, die erste Fernwanderung nicht alleine zu machen. Auch mit deinen Vorsichtsmaßnahmen gehört da zusätzlich eine gewisse Erfahrung und Sicherheit dazu, die man beim ersten Mal nicht haben kann. Wenn man dann etwas Erfahrung gesammelt und Sicherheit gewonnen hat, ziehen in meinen Augen deine Tips zur Sicherheit – denn auch Erfahrung schützt nicht komplett vor Unfall oder Notlage.
Zum Thema Regenschirm @Edi: ich kann dich da beruhigen – ich habe auf vielen Wanderungen noch nie einen Regenschirm dabei gehabt und habe ihn auch noch nie vermisst. Gerade bei Sauwetter blockiert das Ding immer eine Hand und macht einen unnötig sperrig. Gute Regenklamotten würde ich einem Schirm immer vorziehen – und die braucht man ohnehin dabei.
Hallo Holger,
ja, das wäre der sichere Weg, gerade wenn man noch nicht so viel Erfahrung mit kürzeren Mehrtagestouren und Tageswanderungen hat. Ich gebe allerdings zu, meine erste Fernwanderung bin ich auch allein gegangen.
Liebe Grüße
Romy
Hallo Romy,
vielen lieben Dank für die tollen Tipps. Ich werde morgen meine erste Mehrtageswanderung starten und ehrlich, mir geht ein wenig der Popo auf Grundeis. Aber durch deinen Artikel, weiß ich, dass ich gar nicht so schlecht vorbereitet bin. Danke!
Alles Liebe
Ilo