#11/100 Palòn de la Mare 3.703 m
Eine Hochtour auf den Palòn de la Mare gehört mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung zu den einfachen Gletschertouren. Die Aussicht vom 3.703 Meter hohen Gipfel der Ortlergruppe ist unvergesslich.
Träume sind dafür da, dass man sie sich erfüllt. Meine Schwäche für die Gipfel jenseits der 3000er-Marke endet natürlich nicht, bloß weil der Berg nicht mehr wanderbar ist. Der Wunsch nach Hoch- und Gletschertouren baute sich in den letzten Jahren immer mehr auf – verbunden mit einer Vielzahl an Gipfelzielen, die ein Bergwanderer nicht mehr erreichen kann. Mir persönlich geht es aber nicht darum, einfach nur einen Haken ins Gipfelbuch zu setzen. Es geht sogar nicht einmal primär darum, einfach nur auf dem Gipfel gestanden zu haben. So reizt es mich beispielsweise überhaupt nicht, auf einen 8000er zu steigen, wenn mir Sherpas das Gepäck hochgetragen haben und ich mit Sauerstoffmaske am Gipfelkreuz stehe. Lieber will ich ein kleineres Gipfelziel aus eigener Kraft erreichen, in dem ich mein eigenes Gepäck selbst hoch trage, meine eigene Entscheidungen getroffen habe und die Verantwortung bei mir und nicht bei einem Bergführer lag.
Grundsätzlich nämlich kann jeder einigermaßen fitte Wanderer Gletschertouren mit einem Bergführer meistern. Mir aber reicht das nicht. Daher war es mehr als naheliegend, mich für die Königsdisziplin des Bergsteigens zu qualifizieren. Ein Gletscherkurs, bei dem ich nicht nur das Geländelesen, sondern die so wichtigen Basics zur Ausrüstung und über Gletscherspaltenbergung lernte, machte da den Anfang. Ich nahm mir eine Woche für den entsprechenden Kurs. Im Rahmen dieser Ausbildung bestiegen wir auch den Palòn de la Mare.
Hochtourenkurs: Auf Tuchfühlung mit dem „ewigen“ Eis
Knotenkunde, Spaltenbergung mit loser Rolle und Geländelesen – die Hochtourenwoche war voll mit Informationen. Aber: vieles ist logisch und man vergisst es auch nie wieder. Selbst ein Jahr nach diesem Kurs, als ich nun in Vorbereitung auf eine – endlich – eigenverantwortliche Gletschertour Gelerntes wiederholte, fühle ich mich nach einigen Trockenübungen wieder sicher und versiert. Vor allem die Gletscherspaltenbergung, die dann notwendig wird, wenn einer aus der Seilschaft in die Spalte gefallen ist, folgt einer intuitiven Logik, wenn man einmal gelernt hat, wie es funktioniert. Es braucht letztendlich die Kenntnis über zwei, drei Knoten, ein bisschen Seil und einen kühlen Kopf, um sie im Ernstfall zu meistern.
Aber es geht in einem Hochtourenkurs noch um viel mehr: Theoretische Einheiten zur Wetterkunde und Tourenplanung sind wertvoll auch fernab der Gletschertouren. Zudem braucht es zur eigenständigen Tourendurchführung auch Know-How im Lesen des Geländes: Wo entstehen gefährliche V-Spalten? Wo ist der beste Weg? Dass ich die Antworten hier nicht gebe, hat einen Grund: Dieser Abschnitt soll ein Plädoyer sein, dass jeder, der sich eigenständig auf Gletschertour begeben will, einen Kurs macht und sich kein gefährliches Halbwissen aus dem Internet saugt.
In unserem Kurs gab es für mich neben der Besteigung des Palòn de la Mare ein weiteres Highlight: Die Übung der Spaltenbergung auf dem Gletscher. Um jemanden „bergen“ zu können, muss er natürlich erst einmal rein in die Spalte. Gesichert in dieser faszinierenden Eiswelt zu hängen, war etwas ganz Besonderes. Ich bin sicher: Sollte ich da noch einmal hängen, dann ist der eigentlich zu vermeidende Ernstfall eingetreten und ich bin während einer Tour hineingefallen. Sprich: Nie wieder werde ich so entspannt in einer Gletscherspalte hängen wie letztes Jahr im Juni.
Auf den Palòn de la Mare
Der Palòn de la Mare ist ein stattlicher 3000er inmitten des Hauptkammes der Ortler Alpen. Er liegt im Nationalpark Stilfserjoch und ist gar die fünfthöchste Erhebung der Ortler-Alpen. Der Hochtourengipfel ist vollständig von Gletschern umgeben und liegt in einer Gipfelreihe mit dem Monte Cevedale (3769 m, höchster Punkt des Trentinos), Monte Vioz (3645 m) und der Punta san Matteo (3678 m) und vielen weiteren imposanten 3000ern. Der Palòn de la Mare selbst ist ein feiner Aussichtsberg von dem sich unter anderem auch Ortler und Königsspitze und viele Bergketten darüber hinaus erspähen lassen.
Palòn de la Mare: Tour im Überblick
Die gängigste Route hinauf auf den Palòn de la Mare beginnt am Rifugio Cesare Branca. Die Hütte erreicht man von Santa Caterina Valfurva/Bormio aus auf der lombardischen Seite nach dem Stilfser Joch. Sie liegt auf 2493 Metern und eignet sich hervorragend als Ausgangspunkt mit Übernachtung. Das Essen auf der Hütte ist super und auch sonst ist die Hütte sehr gut geführt. Mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung geht es dann zunächst in südliche Richtung, dann nördlich und wieder südlich über den spaltenreichen Gletscher und später über die Westseite zum Gipfel.
- Ausgangs- und Endpunkt: Brancahütte / Rifugio Cesare Branca
- Aufstieg: 1200 m
- Abstieg: 1200 m
- Länge: 10 km
- Dauer: 7:45 h
- höchster Punkt: Palòn de la Mare, 3.703 m
- Schwierigkeit Hochtour: leicht bis mittel, spaltenreicher Gletscher
- Hinweis: nur mit entsprechender Ausrüstung (Gletscherausrüstung, Pickel usw.) und Gletschererfahrung
Höhenprofil Palòn de la Mare
3703 Meter Freiheit – Tour im Detail
Unsere Hochtour beginnt am Rifugio Cesare Branca und führt uns zunächst durch wanderbares alpines Gelände in Richtung Süden. Wir laufen direkt auf eine riesige Gletscherwelt zu. Vor uns liegt der Forni-Gletscher (Ghiacciaio dei Forni), Italiens größtes Gletschertal. Der untere Teil des Gletschers ist aper und wir sehen wie mächtig sich der Gletscher hier aufwölbt, verwirft und welche riesigen Spalten er hervorgebracht hat. Entlang der Moräne wandern wir kontinuierlich hinauf, bis der Weg eine sanfte Linkskurve macht.
Von hier eröffnet sich das erste Mal der Blick auf den Ghiacciaio (itl.=Gletscher) del Palon de la Mare. Das Gelände wird nun etwas unwegsamer und führt uns bis zum Fuß des Gletschers, der vom Palon de la Mare herabzieht. Der Weg bringt uns unverkennbar später nach rechts. Das letzte Stück bis hierhin ist steil und wir lassen durchaus etwas Schweißperlen beim Zick-Zack-Weg hinauf. Links von uns, auf einem Nebengipfel, sehen wir Überreste alter Stellungsanlagen aus dem 1. Weltkrieg.
Es wird nun etwas mühsamer und auch spaltenreicher. Hin und wieder werfen wir einen Blick in die Tiefen des Gletscherbauches, das ist faszinierend und beängstigend zugleich. Nach der Spaltenzone schwenken wir mit unserer Seilschaft nach rechts und genießen den etwas flacheren Teil dank phänomenaler Aussicht und bei bestem Wetter. Wir verlassen schließlich den Gletscher an der Westflanke des Palòn de la Mare, legen eine Kraxeleinheit auf der schneefreien Westflanke ein und laufen dann auf dem Firngrat die letzten Meter zum Gipfel des Palon de la Mare. Ein tolles Gefühl auf dem für mich bisher höchsten Gipfel zu stehen – bei sonnigem Wetter in kurzer Hose und auf Eis. Der Rückweg erfolgt auf gleicher Strecke.
Lust auf noch mehr leichte 3000er in den Alpen?
Hier geht’s zur Kartenansicht im Gipfelbuch 3000er der Alpen
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2 Kommentare zu “#11/100 Palòn de la Mare 3.703 m”
Tolle Tour und wie immer sehr ausführlich beschrieben!
Solche Erlebnisse sind Mehrwert als alles andere. Alles was wir besitzen, die Materiellen Dinge, sind nur Materiell, sie können kaputt gehen, oder gestohlen werden, verlieren auch ihren Wert, jedoch die Erlebnisse die wir machen, gehören uns für immer und keiner kann sie uns wegnehmen!
Deshalb freue ich mich über jedes Abenteuer oder Reise die ich selbst auch unternehme und ich erfreue mich auch deine Beiträge zu lesen.
Herzliche Grüße
Massimo
Hey Massimo,
lieben Dank – das sind große und wichtige Worte! Genauso sehe ich das auch.
liebe Grüße
Romy