Teil 1: Wandern mit krankem Hund, oder: ein Hoch auf Lotte
Für mich gibt es kaum etwas Schöneres beim Wandern, als meine Lotte dabei zu haben. Ich bin mir nämlich sicher, wir haben den besten Wanderhund der Welt. So etwas Zähes, gut Gelauntes und Zufriedenes wie Lotte, gibt es nicht noch einmal. Während wir zweibeinigen Wesen über den langen Aufstieg klagen, die dicken Knie begutachten oder irgendetwas an der Wegmarkierung, der Unterkunft oder dem Essen auszusetzen haben, Lotte läuft und läuft und läuft. Und dass, trotz ihres schwachen Herzens, trotz kaputter Hüfte und trotz schmerzender Fußballen.
Kleine Münsterländer sind Jäger
Aber von Anfang an: Mein kleiner Münsterländer ist per se ein lauffreudiges Wesen. Nicht nur einmal hat uns das in den ersten Jahren die letzten Nerven geraubt. Als Jagdhund immer die Nase am Boden und im Wind, immer auf der Suche nach Wild und immer stur wie ein Ochse. Lotte jagte sogar kilometerentfernte Schwalben in luftiger Höhe – neben Autos, Radfahrern und Zügen versteht sich. Nicht nur einmal wollte ich sie am Baum anbinden und am nächsten Morgen als Retter zurückkommen. Nein, dass habe ich natürlich nicht gemacht! Intensivstes Anti-Jagd-Training, Teambuilding und Konsequenz waren zunächst die Aufgaben, die vor allem Frauchen lernen musste.
Und Lotte war weiß Gott nicht gnädig zu uns. Irgendwann gab es zu Hause kein Futter mehr, nur noch unterwegs gegen Gehorsam. Lotte machte Diät, spuckte uns das Futter unterwegs vor die Füße (ehrlich!) und nahm Kilo für Kilo ab. Frauchen knickte ein. 1:0 für Lotte. Ok, eine andere Strategie musste her. Wir trainierten einen Notfallpfiff auf. Da gab‘s dann stinkenden, widerlichen Trockenfisch als Belohnung. Bähhh. Das klappte aus Lottes Sicht auch total gut: Lotte sah ein jagdbares Ziel und dachte sich: „Prima, wenn ich da hinterherlaufe, kommt der Pfiff und dann gibt’s leckkkkaaaa Fisch.“ 2:0 für Lotte.
Alles wird irgendwann besser, wenn man am Ball bleibt
Die Pfeife ist mittlerweile in der Schublade verschwunden, die Jagd von Schwalben wurde (kontrolliert) erlaubt und auch sonst taten wir alles, was den Hund auslastete: Ausreiten, Fahrradfahren, Spurensuche, Spiele unterwegs und was uns sonst noch einfiel, um Kopf und Körper auszupowern. Leider wanderten wir zu dieser Zeit noch nicht, dass hätte vielleicht vieles einfacher gemacht.
Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann wurde alles besser. Heute läuft unser kleiner Jagdhund zu 99 Prozent ohne Leine. Die Jäger – sonst Angstgegner aller Hundebesitzer – nennen unsere Lotte liebevoll „Lotterich“ und sagen nicht mal etwas in der Brut- und Setz-Zeit zu unserem unangeleinten Hund. Einfach, weil Lotte so gut wie immer artig ist. Das kommt uns natürlich auch beim Wandern zugute.
Gesundheitlich ein „Montagshund“
Doch so toll Lotte auch ist, gesundheitlich ist sie ein waschechter „Montags-Hund“. Borreliose, Babesien und Anaplasmose – alles durch Zecken übertragene Krankheiten – machten ihr zunächst das Leben schwer. Als wir diese Krankheiten auskuriert hatten, ging es Schlag auf Schlag weiter: Erst musste eine Schilddrüsenunterfunktion erkannt und richtig eingestellt werden, dann kam ein schwaches Herz hinzu. 30 Prozent würde es noch leisten, meinte die Tierärztin damals. Kaum ein anderer Hund würde damit noch vor die Tür gehen. Doch Lotte biss sich immer durch. Unterwegs waren andere Hundebesitzer erstaunt, dass Lotte schon sieben Jahre alt war. Sie meinten aufgrund ihrer Lebendigkeit, einen jungen Hund vor sich zu haben. Das sagt viel über Lotte aus.
Aber auch das Herz arbeitet heute dank Nahrungsergänzung und Tabletten wieder bei nahezu 100 Prozent. Kaum war das Eine ausgestanden, kam schon das nächste Drama. Lotte stand morgens auf, konnte keinen Schritt mehr gehen. Diagnose: Arthrose in der Hüfte, wahrscheinlich erblich bedingt und durch die Anaplasmose verstärkt. Wir haben ein Jahr gebraucht, um mit Nahrungsergänzung, Akupunktur, Physiotherapie und Übungen wieder einen schmerzfreien Hund zu haben – ganz ohne Tabletten.
Fernwandern mit Handicap
Und heute? Lotte ist 9 Jahre und läuft und läuft und läuft. Wie ein Michelin-Männchen. Ein Naturheilkundler sagte mal zu mir, bei Arthrose müsste jeder jeden Tag ’ne Runde um den Block gehen und wenn’s wehtut noch ’ne Runde mehr. Irgendwie ist da was Wahres dran. Wenn wir einen Fernwanderweg machen, geht es Lotte mit jedem Tag besser. Sie baut Muskeln auf, die ihre Hüfte entlasten, und trainiert ihr Herz. Frauchen trägt für das Vergnügen mit ihr wandern zu dürfen, Wasser, Futter und Spielzeug für sie. Einen Hundewanderrucksack muss ich ihr nicht mehr zumuten.
Lotte weiß auch genau, wann lange Touren anstehen – wen wundert es bei diesem cleveren Hund? Das bedeutet, sie haushaltet und läuft immer in der Nähe. Sie verlässt keine Wege, wartet an Weggabelungen und ist immer aufmerksam. Sie begrüßt andere Wanderer und Hunde schwanzwedelnd freundlich. Mittlerweile wartet sie auch an Aussichtspunkten, Bänken, Infotafeln und allem anderen, wo wir geneigt sind, eine Pause einzulegen. Es ist der pure Wahnsinn, wie wir uns aufeinander eingestellt haben. Oder vielmehr, wie sie sich auf uns eingestellt hat. Hunde sind eben doch die besseren Menschen.
Und: Es gibt keinen glücklicheren Moment, als abends einen körperlich und geistig völlig ausgelasteten Hund neben sich liegen zu haben! Im Bett versteht sich. Denn Kuscheln geht immer. Wir hoffen, dass Lotte ihre Krankheitsliste abgearbeitet hat und wir noch viele schöne Jahre gemeinsam verbringen können – egal ob wandernd oder nicht.
16 Kommentare zu “Teil 1: Wandern mit krankem Hund, oder: ein Hoch auf Lotte”
Was für eine verdiente Hommage an Lotte. Ich wünsche euch dass ihr noch lange gemeinsam unterwegs seid. Mein Highlight definitiv euer Fußabdruck im Sand ????
Danke dir! Du hast ja leider nur die kaputte und zufriedene Lotte nach unserm 30 Kilometermarsch kennengelernt, aber schön war‘s ????
Ein wirklich herzerwärmender Beitrag…… Euch würde ich gerne kennenlernen! liebe Grüße Angelika mitBodhi
Danke 🙂
Ich bin wegen Lotte hier und nicht wegen Romy 🙂
Das kann ich verstehen ????
Ich gehe mit unserem KLM dieses Jahr das erste Mal auf Wandertour. Er wird jagdlich geführt und das wird sicherlich eine Herausforderung für uns beide. Deine Geschichte hat mich aber darin noch einmal bestärkt.
Liebe Anja,
Kleine Münsterländer sind mit Sicherheit eine Herausforderung und dennoch die besten Hunde der Welt! Wir haben viele Jahre – teils verzweifelt – mit Lotte gearbeitet und anfangs nicht daran geglaubt, dass das noch was wird. Heute habe ich aber die perfekte (nahezu immer freilaufende) Begleiterin an meiner Seite. Auspowern – vor allem in Form von langen, fordernden Touren – kann wahre Wunder bewirken. Viel Spaß bei euren Touren und niemals aufgeben!
Liebe Grüße
Romy
Hallo Romy,
auch in diesem Bericht kann ich mich sofort wiedererkennen- ich wollte einen Hund, aber bloß keinen Jagdhund! Was ich bekommen habe, ist der größte Spurenleser und Großwildjäger aller Zeiten. Aber dank dem Buch „Wege zur Freundschaft“ haben wir das (aus seiner Sicht völlig idiotische) ANTI aus der Jagd gestrichen und machen das nun auch gemeinsam. Gemeinsam Spuren angucken dürfen ist viel befriedigender, als alleine Wegdüsen. Die Leine bleibt sicher noch ein paar Jahre unser Begleiter, einfach zur Sicherheit, weil mir die Wildtiere eben auch extrem am Herzen liegen und mein unbeugsamer, wilder Drache nunmal nicht Gehorsam ist um gehorsam zu sein, sondern nur, wenn ers für ihn schlüssig ist. Aber auch mit Leine sind wir nun ein super Wanderteam, und durch meine Aufmerksamkeit auf seine Sicht der Welt sehen wir so viel mehr- er zeigt alles an vom Birkhuhn im Schatten bis zur frischen Spur eines nur deshalb entdeckten iberischen Steinbocks und freut sich über meine Bewunderung seiner Nase. Erziehung ist kaum was Wert und die verschiedensten Methoden stressen alle Beteiligten oft nur- Beziehung hingegen ist alles und entsteht einfach aus dem gemeinsamen Erleben heraus 😉
Du hast so recht. Seit ich Lotte habe, sehe ich Dinge, die mir sonst entgangen wären. Das macht wirklich Spaß.
Liebe Romy,
mit großem Interesse haben wir uns Ihre Berichte hier angesehen.
Wir halten seit ca einem halben Jahr den Kleinen Münsterländer Rüden Joshi, geb März 2010, den wir als „Scheidungshund“ zu uns genommen haben. Er ist gesund, lieb, hat sich ganz gut eingewöhnt bei uns, natürlich auch ab und zu dickköpfig, aber lt Tierarzt gut in Schuss und gesund.
Seit ca 1 Woche beobachten wir vor allem abend ein kurzes Humpeln vorne, wenn er sich nach dem Ruhen erhebt. Wir denken natürlich, auch altersbedingt, an beginnende Arthrose und werden den Arzt aufsuchen. Wir bekamen Joshi mit Stammbaum, aus dem sich ergibt, dass seine beiden Eltern teile vor dem Decken frei von Displasien befunden wurden. Draußen läuft er mit völlig unauffälligem Bewegungsablauf wie ein junger Hund
Parallel interessiert uns daher, was Sie alles frei von Tabletten mit Erfolg unternahmen, um Lotte aufgrund ihrer Arthrose erfolgreich zu versorgen. Gern können Sie uns auch direkt per email anschreiben.
Vielen Dank im voraus und LG auch an Lotte
Sendet Jochen
Hallo Jochen,
gleich vorweg: ich bin keine Tierärztin und kann dir daher nur berichten, was ich an deiner Stelle machen würde. Zunächst: 11 Jahre ist ein stolzes Alter für einen Kleinen Münsterländer, da darf es schon mal das ein oder andere Zipperlein geben. Lotte lahmt vorn auch ab und an mal. Manchmal liegt das an Verspannungen im Rücken (zw. den Schulterblättern), manchmal hat sie sich einfach vertreten. Ersteres kannst du vielleicht sogar fühlen (fühlt sich knubbelig an). Ihr könntet es mal mit Wärme versuchen, wenn Joshi das mag. Auch ganz sanftes Massieren hilft. Hat er sich vertreten kann ich euch sagen, das vergeht wieder. Ich vergleiche das gern mit dem berühmten „Fuß-Umknicken“. Das dauert dann ein paar Wochen, bis sich die Bänder wieder stabilisiert haben. Ich glaube nicht, dass sich eine beginnende Arthrose zuerst vorne zeigt, aber das ist eher Vermutung als Wissen. Womit ich immer sehr gute Erfahrungen gemacht habe, ist Arnica. Etwa 5 Kügelchen ein paar Tage lag, mehrfach täglich geben. Alternativ könnt ihr es auch mit CBD-Öl versuchen, das wirkt schmerzlindernd. Wenn alles nicht hilft, kann ich euch nur ans Herz legen, einen guten Tier-Osteopathen zu suchen. Das hat Lotte immer geholfen (selbst wenn der normale Tierarzt nicht mehr weiter wusste). Grundsätzlich spricht aber für mich auch nichts dagegen mal für eine begrenzte Zeit ein Schmerzmittel zu geben, damit sich die schmerzbedingten Fehlhaltungen auflösen.
Ich hoffe, ich konnte euch helfen und wünsche euch viel Freude mit eurem Joshi
Liebe Grüße
Romy
Hallo liebe Romy und auch hallo Lotte,
zuerst: vielen Dank für eure tollen Beiträge hier im Blog.
Auch ich habe eine Lotte, Labrador 5 Jahre. Lotte hat von Geburt an ED, infolgedessen auch Arthrose im betroffenen Beinchen. In diesem Jahr haben wir auf Rat des Tierärztes eine OP durchführen lassen, bei der ihr kaputtes Gelenk entlastet werden sollte. Die OP war im Mai, dabei wurde eine Platte eingesetzt. Das Ergebnis nach zahlreichen Besuchen beim Tierarzt, einer langen Schonphase und einer weiteren OP Anfang Oktober, bei der die Platte wieder entfernt wurde, lässt sich kurz zusammenfassen: Lotte humpelt und das aktuell ununterbrochen. Laut Tierarzt kann das mit ihrer nach wie vor vorhandenen Athrose zusammenhängen. Dennoch hat sie natürlich einen Bewegungsdrang und liebt Spaziergänge, die leider sehr knapp ausfallen. Wir sind selbst wanderbegeistert und das ist Lotte auch. Unser Optimismus je wieder mit ihr lange Ausflüge zu machen, ist aktuell entsprechend gering. Hat euch etwas sehr geholfen als ihr von der Athrose eurer Lotte erfahren habt? Deine Beiträge lesen sich so, als hätten Lotte und du euren Weg gefunden trotz Athrose durch die Welt zu marschieren. Über Tipps und Anregungen würden wir uns sehr freuen, gerne auch per Mail.
Liebe Grüße
Lotte und Letitia
Hey Letitia,
ich bin natürlich kein Tierarzt, aber ich würde mich schon freuen, wenn euch unser Bericht etwas Mut gemacht hat. Lotte hatte tatsächlich gar keine Arthrose, sondern eine Spondylose, wie ihr hier nachlesen könnt: https://www.etappen-wandern.de/ausruestung-persoenliches/wandern-mit-hund-dies-und-das/teil-2-wandern-mit-krankem-hund-die-bewaehrungsprobe/
Für uns immer ein Segen war tatsächlich eine gute Osteopathin, die Lotte immer und immer wieder locker gemacht hat, so dass sich die Muskeln vorteilhaft aufgebaut haben. Und auch Schmerzmittel haben zwischendurch wirklich gute Dienste geleistet, damit Bewegung und Training überhaupt möglich waren.
Ich wünsche euch viel Geduld und alles Gute, dass ihr einen Weg findet!
Liebe Grüße
Romy
Liebe Letitia,
mit Bedauern haben wir Deine Geschichte gelesen. Aus der Entfernung kann man schlecht genau urteilen sowie einen gezielten Rat geben, zumal fachärztlich schon einiges geschehen ist.
Wie es scheint, dürfte Eure Lotte einen genetisch bedingten Schaden der ED haben, im Grunde ein Zuchtfehler.
Bei dem für diese „Gebrechen“ viel zu jungen Hund Lotte würde ich wohl erst einmal klären lassen, ob und wenn inwieweit die weiteren Ellenbogen betroffen sind, auch ob Dispositionen für HD gegeben sind.
Wir bekamen Joshi, einen ziemlich groß gewachsenen Kleinen Münsterländer Rüden vor 18 Monaten 11,5 jährig aus einer Scheidungsfamilie und er humpelte zeitweise nach dem Aufstehen. Vorsorglich in Richtung möglicher Arthrose bekamen wir vom Tierarzt Carprotab 100mg, um etwaige Beschwerden zu lindern.
Wir gaben diese Tabletten nicht bis zum Ende, denn während des Urlaubs lief Joshi viel frei herum und das Humpeln legte sich, was wohl auch mit daran gelehen haben mag, dass wir fortan stark darauf achteten, dass er nicht zunimmt. Zum Glück ist er scharf auf Möhren und Kohlrabi, bekommt, ansonsten täglich 300gr Trockenfutter, sonntags 1 rohes Ei und alle 14 Tage etwa 400gr Rindergulasch roh. Wir legen damit fest, dass er nicht zunimmt, wir gehen täglich ca 5x mit ihm raus, ca 30-45 Minuten. Er ist jetzt 12,5 Jahre und sehr vital/wahrnehmubgshell.
Ob das bei Ihnen ein Rat ist, wissen wir nicht.
Im Grunde gelten die Regeln wie bei alten Menschen mit Arthrose, Gewicht runter, um die Gelenke zu entlasten und versuchen, durch viel ggf auch gezielte Bewegungen die Stützmuskulatur anzuregen. Auch sollten Sie bei Ihrer Lotte ein bisschen darauf achten, dass die betroffenen Gelenke/der Hund nicht zu viel Kälte ausgesetzt ist.
Ihre Lotte hat ja ggf noch 10 Jahre vor sich. Unserer Auffassung nach geht es, wenn man es verbessern kann, nur mit Kontinuität und Geduld. Übrigens könnte es flankierend auch hilfreich sein, Ihrer noch recht jungen Hündin Trockenfutter für ältere Hunde zu geben, weil diese Futterzusammensetzung mögliche Arthroseerkrankungen mit berücksichtigt. Wir kaufen zB Bosch HPC Maxi Senior mit frischem Geflügel & Reis für ältere Hunde großer Rassen (ab 25kg), in der 12,5 kg Packung für ca 30 € über amazon. Mit 300gr täglich kommt man etwa 6 Wochen weit. Das Futter enthält angeblich Kolostrum sowie Muschelextrakt für Knorpel und Gelenke.
Wir wünschen Ihnen und vor allem Lotte womöglich gute Besserung, vielleicht war Ihnen unser Rat hilfreich
Beste Genesungswünsche senden
Joshi und Jochen